Ost und West

Samstag, 14. Februar 2009

Palastgedanken

Sehr interessanter Beitrag in der Süddeutschen Zeitung über den Palast der Republik.

Zitat aus der Süddeutschen:

Die Münchner Architekturkritikerin Johanna Schmidt-Grohe, die den Palast wenige Wochen nach seiner Eröffnung in der Süddeutschen Zeitung sehr gelobt hatte, versteht bis heute nicht, warum das Gebäude für den Nachbau des historischen Schlosses in Berlin weichen musste. Historischen Revanchismus mag sie als Motiv nicht ausschließen. Wurde der Palast der Republik also rückgebaut, weil Walter Ulbricht ehedem die von den Amerikanern ausgebombte Berliner Schlossruine sprengen ließ? Johanna Schmidt-Grohe erinnert sich noch an ihre Besuche auf der Palast-Baustelle und an den Stolz der Arbeiter auf ihr Werk - immerhin das erste freitragende Stahlskelett in der DDR, wo sonst ja nur Platte verbaut wurde."

Alle behaupten, der Entscheid zum Abriss sei demokratisch entstanden – aber ich glaube, dass kein Abgeordneter - abgesehen von der PDS damals - sich überhaupt getraut hat, für den Palast zu stimmen. Ich bin – wenn ich mir das heute angucke – auch verbittert und wenn ich die hämischen, gehässigen Beiträge zum Palastabriss in der „Welt“ lese, dann entwickelt sich eine merkwürdige Stimmung von Demütigung und Frustration. Seltsam – aber ich habe zunehmend den Eindruck, ich bin nicht allein mit meinem Gefühl.


Das ist schon einige Monate her

Palast delr Republik

Montag, 12. Januar 2009

Kinderheime

Heute hat die Bundesfamilienministerin die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Kinder die in kirchlichen und staatlichen Heimen misshandelt wurden, abgelehnt.

Mir kamen so allerlei Erinnerungen. Ich war in den fünfziger Jahren zweimal in einem katholischen Kinderheim in der damaligen DDR, in Leipzig, untergebracht. Grund war eine schwere Erkrankung meiner Mutter.
Auch mein Bruder war für eine Weile mit mir zusammen in diesem Heim und später in einem anderen, ebenfalls kirchlichen Heim untergebracht. Er hatte auch ziemliche Verhaltensstörungen hatte.
Er verbrachte dort ungefähr ein Jahr. Als wir ihn besuchten, war er ausgeglichener und ruhiger und zugänglicher als er je zu Hause war. Er kam dann trotzdem wieder nach Hause, wäre aber lieber dort geblieben.

Zurück zu meinen eigenen Heim-Erinnerungen: Es ging mir in Leipzig-Engelsdorf im wesentlichen gut, wenn man von den ganz normalen Kinderkümmernissen, dem Heimweh und Streiterein untereinander absieht. Es wurde auch Rücksicht genommen auf kindliche Einwände und Abneigungen. Ich zum Beispiel mochte keine Ziegenmilch und bekam immer nur Kuhmilch. Man musste auch seinen Teller nicht leer essen und ähnliche Sitten.
Wir wurden sicherlich zu allgemeinem Gehorsam und Einhaltung von Regen angehalten, aber es gab außer Ermahnungen keine gravierenden Strafen.

Wenn ich heute so höre, wie in westlichen-kirchlichen Heimen mit Kindern umgegangen worden sein soll, dann wüsste ich doch gern, wieso die Verhältnisse in kirchlichen Heimen Ostdeutschlands offensichtlich so ganz anders waren als in Westdeutschland jener Zeit.
Ich kann nur annehmen, dass es dort ein anderes Erziehungskonzept gegeben haben muss und wüsste gern warum.

Ein Grund kann sein, dass die Kirchen von staatlichen Stellen scharf beobachtet wurden und es gab auch wenige kirchliche Kinderheime in der DDR.
Aber auch bei den staatlichen Heimen gab es offensichtlich nicht solche brutalen Verhältnisse.
Denn staatliche Heime sind nicht zu verwechseln mit den Jugendwerkhöfen in der DDR, die zum Strafvollzug gehörten und die – wie ich vermute – immer als Prototypen für die allgemeinen Zustände in DDR-Kinderheimen betrachtet werden.

Andererseits erinnern die Verhältnisse, von denen ehemalige Heimkinder-West berichten eher an die Jugendwerkhöfe. Erschreckt hat mich auch die Zahl der Heiminsassen im Westen. Zwischen 500.000 und 1 Million rechnen sie.
Schon seltsam, dass es so merkwürdig seitenverkehrte Verhältnisse gibt.

Es war nicht die beste Zeit meines Lebens dort Ich erinnere mich noch, wie ich im dritten Stock auf der Bodentreppe saß und auf die Straße blickte, weil ich hoffte, dass meine Mutter kommt. Aber sie kam lange gar nicht, weil sie noch im Krankenhaus war. Später dann besuchte sie mich oft. Ich war oft traurig, aber eine Kindertraurigkeit ist eben kein Trauma.

Samstag, 5. Juli 2008

Rassismus in Ost und West

Nehmen wir mal an – in einem kleinen Ort in Deutschland wohnt ein Schwarzer aus Nigeria mit seiner weißen Verlobten. Von Anfang an werden er und seine Freundin rassistisch beschimpft. Die Siedlung wird vorwiegend von Hartz IV-Empfängern, sozial Deklassierten auch Kleinkriminellen – Verlierern eben - bewohnt. Eines Tages kommt der Schwarze an einer Gruppe trinkender Leute vorbei – sie pöbeln ihn an, halten ihn auf und schlagen ihn. Dann verfolgen sie ihn bis zu seiner Wohnung. Sie treten gegen die Tür. Er springt aus dem Küchenfenster und sticht im Kampfgerangel mit dem Messer zu. Einer der Schläger wird am Hals getroffen, muss ins Krankenhaus, kann aber bald wieder entlassen werden.

Was würde man bei so einer Szenerie wohl berichten, wenn sie im Osten spielte: „Rassismus in Ostdeutschland –Mob verfolgt Schwarzen“. Und wenn jemand erklären würde, dass der Schwarze ein Wirtschaftsflüchtling war und es seiner Umgebung auch nicht leicht gemacht habe – würde man das als billige Entschuldigung abtun. Aber es ist eben nicht der Osten, sondern das Ganze hat sich in Wahlstedt bei Bad Bevensen abgespielt.
Und da wird nicht gnadenlos generalisiert und vielleicht über Rassismus in Nordwestdeutschland und daraus eine allgemeine Mentalität definiert.
Und wenn ein Staatsanwalt im Osten sofort den Schwarzen als Verdächtigen und Schuldigen anklagen würde, du liebe Güte, was gäbe das für ein Geheul.

Und wenn man so was in irgendeiner Debatte aufbringen würde, dann würde einem möglicherweise entgegengehalten, dass man kalt und mitleidslos einen armen Menschen zum Beweismittel macht.
Es gibt zwei Sichten auf Ereignisse – je nachdem in welchem Teil Deutschlands sie spielen. Und das ist übel und kränkend und macht die Menschen böse und ungeduldig – unwillig zu Einsicht und Änderung.

Dienstag, 20. Mai 2008

Die Heinersdorfer Moschee

Sie werden bald Einweihung feiern an der stillen Tiniusstraße. Die liegt auf der anderen Seite der breiten Autobahnauffahrt, auf die wir blicken. Und von der großen Kreuzung Prenzlauer Promenade sieht man sie schon - die Kuppel der Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde.

Ich habe mit gemischten Gefühlen den Streit um diese Moschee verfolgt. In Pankow, zu dem Heinersdorf gehört, haben sie den Bau sehr schnell genehmigt. Dann haben die Bürger sich gegen die Moschee gewandt und wurden - weil das Ganze im Osten spielt - sofort als rassistischer bornierter Bürgermob beschimpft. Die Ahmadiyya Gemeinde ist eigentlich die toleranteste und offenste "Abteilung" innerhalb des Islam, sagen Experten.
Aber die Heinersdorfer wollten keine Moschee, auch nicht in der stillen Tiniusstraße - das beklagen die Soziologen, die ihre Forschungen betreiben und die Heinersdorfer Bürger in verschiedene Kategorien einteilen: Die Bornierten, die Ängstlichen, die Gleichgültigen, die Profilneurotischen, die dezidiert Ausländerfeindlichen und letztendlich: die Weltoffenen (meist Zugezogene).

Die Moscheegegner haben auf der Website von Ahmadiyya einen Beitrag ausfindig gemacht, der den Genuß von Schweinefleisch als Ursache für Homosexualität nennt, die auch in dieser "gemäßigten Abteilung" als verwerflich gilt. Nachdem sie das ordentlich skandalisiert haben, nahm die Gemeinde diesen Beitrag von der Seite.

Wie auch immer: die Heinersdorfer werden sich dran gewöhnen müssen. Ich fände es schön, wenn die Gemeinde hier reinwächst. Vor einem halben Jahr haben sie, die bis jetzt noch in Reinickendorf in einem Einfamilienhaus residieren, die Frauen aus Pankow eingeladen. Sie haben - sehr nachdrücklich und ängstlich mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Einladung - bitte, bitte - nur für Frauen gedacht ist. Mir fiel bei dieser Gelegenheit ein, dass die Fundamental-Feministinnen, die Anfang der 90er hier zuerst auftauchten, allen Frauen eingeschärft haben, dass Männer in einem Frauenprojekt und bei Frauenveranstaltungen nichts zu suchen haben. Also auch nur für Frauen.
Die Ostfrauen hat das immer amüsiert oder auch geärgert. So ändern sich die Zeiten.

Im Westberliner Charlottenburg wollte der Inssan-Verein auch eine Moschee bauen. Dort gab es erst ein o.k. und nachdem sich die Bürger (diesmal kein Bürgermob) gegen die Pläne gestellt haben, wird behauptet, die Baugenehmigung könne - aus verschiedenen Gründen - nun doch nicht erteilt werden. Das mag ja alles stimmen, aber mir fällt doch auf, dass sie im Westen einfach geschickter sind, wenn es um Entscheidungen geht, die in der Öffentlichkeit aufmerksam beobachtet werden. Aber die Toleranz-Polizei hat auch sie schon beim Wickel. Mir fällt deren selbstgerechter Ton genau so auf den Wecker wie der feindselige Ton der Moscheegegner. Einer der ersten, der sich auf die Seite der Gegner stellte war ein gewisser Friedbert Pflüger von der CDU. Der hat ganz Berlin mit seiner Pro-Tempelhof-Initiative im Atem gehalten. Gott Sei Dank ist er gescheitert.

Freitag, 31. August 2007

Der Geist von Potsdam

Ein hervorragender Beitrag über den neuen „Geist von Potsdam“ im heutigen „Freitag“ .

http://www.freitag.de/2007/35/07350301.php


Was ist noch Ironie und was der reine menschenverachtende Zynismus?
Ist es eine „Neiddebatte“ oder berechtigte Empörung, wenn man es zum Kotzen findet, dass Wolfgang Joop am liebsten al-Quaida anrufen möchte, angesichts der Potsdamer Neubauviertel, in denen sich die längst aus der Innenstadt vertriebenen Verlierer der Wende, die Arbeitslosen und die Geringverdiener sammeln?
Der Freitag-Autor schreibt über das Bemühen der neuen Reichen, den ehemaligen Mauerweg am Griebnitzsee, der nach der Wende für alle zugänglich war, jetzt wieder zu schließen, weil sie sich durch das „Volk“ belästigt fühlen. Noch hielte die Stadtverwaltung stand. ... berichtet er, aber „Inzwischen säumen den Uferweg punktuell Wehranlagen aus Beton und Drahtverhau, welche die Architekten der einstigen Grenzanlagen vor Neid erblassen lassen könnten. Das Ganze ist ein unbezahlbares Symbol für Ostdeutschland schlechthin. Die große Mauer ist gefallen, die vielen kleinen erheben sich.“

Eigenartig, vor geraumer Zeit schon habe ich auch mal so eine Anmerkung geschrieben über unseren ehemaligen großen Innenhof in der Schivelbeiner Straße.
Der hieß „Grenzen“ und ich kam zu einer ähnlichen Zeitdiagnose.

„Vor der Wende wohnte ich in einem Seitenflügel mit Blick auf einen der Hinterhöfe, die durch halboffene Ziermauern und andere teilende Bauelemente von einem weiteren großen und begrünten Innenhof abgegrenzt waren. In Berlin, wo es ohnehin die dunkelsten Hinterhöfe gibt, die man sich denken kann, war dieser durch Entkernung entstandene weite Raum ein Gewinn. Um zu meinem Seitenflügel zu gelangen, musste ich zwei Türen auf- und wieder zuschließen. Aber das Nachbarhaus war nicht so korrekt gesichert und deshalb gingen wir meist dort durch, denn die Türen führten zum gleichen Innenhof. Sie gehörten zur kommunalen Wohnungsverwaltung. Wir hatten einen privaten Besitzer und der wollte sein Anwesen sichern. Dass er uns dadurch im Quergebäude ohne Klingelanlage einschloss, war ihm egal und wir nahmen es hin.

Sehr bald nach der Öffnung der Grenzen bekam der bisher freie Zugang zum Innenhof ein Tor und ist seitdem Tag und Nacht fest verschlossen. Den Bewohnern ist das viel lieber sagen sie. Den neuen Eigentümern sowieso. Der Durchgang sei vor allem bei den vietnamesischen Zigarettenhändlern beliebt gewesen, die dort ihre Waren gebunkert hatten, meinten die Leute. Die damals überall auftauchenden Teppichhändler hätten auch viel zu leicht in die Häuser gekonnt. Einer von ihnen hatte eine Frau vergewaltigt, aus Wut, weil sie ihm keinen Teppich abgenommen hatte.

Die angrenzenden Häuser halten ihre Türen jetzt ebenfalls alle verschlossen und sind mit ordentlichen Klingelanlagen versehen. So ohne weiteres kommt man nicht mehr rein. Kürzlich wollte ich mal wieder durch diesen Innenhof gehen, an dem ich so viele Jahre gewohnt hatte. Ich drückte auf irgendeinen Klingelknopf und als ich gefragt wurde, wer da sei, brummelte ich undeutlich: „Prospekte“. Man muss jetzt schwindeln, sonst wird man nicht akzeptiert“.

Mittwoch, 6. Oktober 2004

Unterhaltsamer Ost-West-Vergleich

„....gab und gibt es nun einmal überall in der Republik große Unterschiede in den Lebensverhältnissen. Das geht von Nord nach Süd wie von West nach Ost. Wer sie einebnen Bücher sind mir liebwill, zementiert den Subventionsstaat und legt der jungen Generation eine untragbare Schuldenlast auf.“ – sagte der Bundespräsident, dessen Vornamen ich mir einfach nicht merken kann. Seltsamerweise stellte er die Forderung nach Anerkennung der Unterschiede nur in ökonomischer Hinsicht. Mir aber fällt auf, dass es ansonsten überhaupt nicht beliebt ist, auf Unterschiede -zum Beispiel in den Mentalitäten - zwischen Ost und West zu verweisen. Leicht handelt man sich dabei den Vorwurf der Ostalgie ein. Mit diesen Unterschieden beschäftigt sich ein amüsantes Buch des ostdeutschen Kommunikationstrainers Olaf Klein.
„Ihr könnt uns einfach nicht verstehen. Warum Ost- und Westdeutsche aneinander vorbeireden“, so der Titel, der ganz bewusst an einem Erfolgsbuch von Deborah Tannen anknüpft.
Die Blickkontakte, das Distanz-Nähe-Verhältnis, das Verhalten im Raum, die Strategien der Gesprächseröffnung – fast alles ist unterschiedlich zwischen West und Ost.

Vieles von dem, was Klein an Unterschieden aufführt, kam auch mir recht bekannt vor:
Wenn Westdeutsche irgendwo auftauchen, dann hatte auch ich oft das Gefühl, dass sie den Raum nicht betreten, sondern erobern. Andererseits finden Westdeutsche, dass Ostdeutsche für ihr Empfinden viel zu wenig Distanz wahren. Sie respektierten aus deren Sicht auch die Privatsphäre zu wenig, Überhaupt vermischten sie andauernd privat und öffentlich. Und wenn sie sachlich kritisiert würden, dann nähmen die Ostdeutschen das sehr schnell persönlich.
Westdeutsche hingegen empfinden den intensiven Blick von Ostdeutschen oft als ungehöriges Anstarren, während Ostdeutsche sich denken: „Die können einem ja nicht mal in die Augen sehen.“

Westdeutsche suchen in einem Konflikt entweder eine Mehrheit für ihre Sicht zu erringen, während Ostdeutsche den Konsens suchen.
Westdeutsche machen Konflikte oftmals durch Zuspitzung deutlich, während Ostdeutsche einen Konflikt gern erst einmal negieren.
Nebenher: Als ich das las, dachte ich bei mir, dass ich doch mehr zur Zuspitzung neige und damit immer wieder Probleme bekam.

Westdeutsche machen in Gesprächen mit anderen sehr kurze Pausen, in die Ostdeutsche aber nicht „einhaken“, weil ihnen diese Pausen zu kurz sind. Deshalb denkt der Wessis nun wieder, sie wollten gar nicht in die Kommunikation einsteigen. Also redet er peinlich berührt weiter, damit das „Rad der Kommunikation“ weiterläuft.
Wenn sich Westdeutsche präsentieren, dann ist für sie die Darstellung ihres Status das Wichtigste, während Ostdeutsche finden, dass das Wichtigste die persönliche Art und Beziehung sei.
Westdeutsche neigen bei der Selbstdarstellung immer ein wenig zur Übertreibung, während Ostdeutsche das als Prahlerei erleben und selbst „bescheiden untertreiben“. Sie wissen nicht, dass jeder Gesprächpartner im Westen bei der Selbstdarstellung eines anderen gleich ein paar Prozente abzieht. Bei dieser Praxis bleibt bei den Ostdeutschen eigentlich fast nichts übrig.

Es kann daran liegen, dass ich mich kurz nach der Wende vor allem in Frauenzusammenhängen bewegt habe, aber mir kamen zu Beginn die Unterschiede gar nicht so groß vor. Kann aber auch sein, dass die Westdeutschen und die Ostdeutschen – auch die Frauen - zu Beginn die Differenzen unter den Teppich kehrten, weil sie guten Willen zeigen wollten. Damit unterschätzen sie aber gewaltig die Rolle, welche die sowohl die verbale als auch die nonverbale Kommunikation spielen.

In einem Kapitel sind auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Kommunikation besprochen. Ich finde aber, dass die generell unterschiedliche Art der Kommunikation der Geschlechter zu wenig berücksichtigt ist. Das wäre allerdings auch schwierig geworden, weil es weiter Gegensätze aufgemacht hätte.

Ein Mann aus dem Westen kommt zu Beginn ganz gut mit einer Frau aus dem Osten zurecht, auch wenn sie sich als emanzipiert versteht. Der Unterschied zur Westfrau ist, dass sie nicht andauernd ein männliches Feindbild vor sich herträgt und darum auch nicht so abschreckend aggressiv wirkt. Erst später können sich Probleme einstellen, weil eine Frau Ost zum einen ökonomische Selbständigkeit gewohnt ist, andererseits hohe Forderungen an einen Westmann in der Kommunikation. Das meint Klein, aber mir scheint, dies ist inzwischen etwas, woran auch die Westmänner ziemlich verzweifeln. Den Männern wird regional übergreifend einfach zuviel geredet in Beziehungen.

Hingegen gibt es zwischen einem Mann aus dem Osten und einer Frau aus dem Westen vor allem zu Beginn Probleme. Ein Mann aus dem Osten sei im Frühortungssystem der Westfrauen überhaupt nicht wahrnehmbar, denn auch da ginge es zuallererst nach dem Status, ganz gleich was für edle Gesichtspunkte bei der Männerwahl angeführt würden. Außerdem verheddere sich der Ostmann mit Sicherheit im Gestrüpp eines jahrzehntelangen Geschlechterkampfes, den er aus dem Osten so nicht kennt, meint Olaf Klein.
Jedoch könnte bei entsprechender Liebe und Lernfähigkeit beider durchaus eine erfolgreiche Partnerschaft möglich sein.

Ein unterhaltsames Buch, das allerdings sehr deutlich macht, dass es die Ost-West-Unterschiede noch lange geben wird. Das kann auch eine Chance sein, sich gegenseitig zu bereichern statt sich zu belehren. Nichts hat in der Vergangenheit die Kommunikation so belastet, als die ständige Forderung nach Anpassung nur in eine Richtung. Von daher ist Kleins Buch auch ein gerechtes Buch.

Olaf Georg Klein: "Ihr könnt uns einfach nicht verstehen. Warum Ost- und Westdeutsche aneinander vorbeireden“. Eichborn-Verlag

Samstag, 18. September 2004

Westalgie

Er ist leider nicht auf meinem Mist gewachsen, aber sehr schön und treffend:
Ein Leser schrieb an die "Berliner Zeitung", es gäbe nicht nur eine Ostalgie, sondern auch eine Westalgie. Die Menschen aus den alten Bundesländern trauerten den Zeiten vor 1989 eben so nach, wie sie es den Ostbürgern dauernd unterstellen. Damals hegte man die Illusion, die fünf neuen Bundesländer schlössen sich an, jubelten darüber und dann gehe alles den alten Gang weiter. Die deutsche Einheit hat die Westbürger auch noch für eine ganze Weile in dieser Illusion gelassen. Erst jetzt kriegen viele mit, dass sie bezahlen müssen und zwar erstens die Zeche, die die Globalisierung fordert, und zweitens die Kosten für die deutsche Einheit. Die zahlen allerdings auch die Bürger in den neuen Bundesländern. Solidaritätszuschlag wird überall erhoben.

Außerdem kann man noch eine diffuse Ostalgie -West beobachten. Viele Ostbürger trauern dem Bild vom Westen nach, das sie vor dem Mauerfall hatten. Den Zeiten da die Bundesrepublik die Erfüllung aller Träume bedeutete. Der kluge Günter Gaus hat mal gesagt, dass die Westbürger, wenn sie es könnten, sich auch so einen Fluchtpunkt wünschen würden. Über Mallorca und alle Reiseziele hinaus - ein Land, von dem man fantasiert, dass da alles gut wird. Und jetzt haben auch die Ostbürger diesen Fluchtpunkt nicht mehr. Grund für allerlei Trauerarbeit, neben der, die um die Vergangenheit mit ihren verpassten Chancen ohnehin zu leisten ist.

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