Freitag, 31. August 2007

Der Geist von Potsdam

Ein hervorragender Beitrag über den neuen „Geist von Potsdam“ im heutigen „Freitag“ .

http://www.freitag.de/2007/35/07350301.php


Was ist noch Ironie und was der reine menschenverachtende Zynismus?
Ist es eine „Neiddebatte“ oder berechtigte Empörung, wenn man es zum Kotzen findet, dass Wolfgang Joop am liebsten al-Quaida anrufen möchte, angesichts der Potsdamer Neubauviertel, in denen sich die längst aus der Innenstadt vertriebenen Verlierer der Wende, die Arbeitslosen und die Geringverdiener sammeln?
Der Freitag-Autor schreibt über das Bemühen der neuen Reichen, den ehemaligen Mauerweg am Griebnitzsee, der nach der Wende für alle zugänglich war, jetzt wieder zu schließen, weil sie sich durch das „Volk“ belästigt fühlen. Noch hielte die Stadtverwaltung stand. ... berichtet er, aber „Inzwischen säumen den Uferweg punktuell Wehranlagen aus Beton und Drahtverhau, welche die Architekten der einstigen Grenzanlagen vor Neid erblassen lassen könnten. Das Ganze ist ein unbezahlbares Symbol für Ostdeutschland schlechthin. Die große Mauer ist gefallen, die vielen kleinen erheben sich.“

Eigenartig, vor geraumer Zeit schon habe ich auch mal so eine Anmerkung geschrieben über unseren ehemaligen großen Innenhof in der Schivelbeiner Straße.
Der hieß „Grenzen“ und ich kam zu einer ähnlichen Zeitdiagnose.

„Vor der Wende wohnte ich in einem Seitenflügel mit Blick auf einen der Hinterhöfe, die durch halboffene Ziermauern und andere teilende Bauelemente von einem weiteren großen und begrünten Innenhof abgegrenzt waren. In Berlin, wo es ohnehin die dunkelsten Hinterhöfe gibt, die man sich denken kann, war dieser durch Entkernung entstandene weite Raum ein Gewinn. Um zu meinem Seitenflügel zu gelangen, musste ich zwei Türen auf- und wieder zuschließen. Aber das Nachbarhaus war nicht so korrekt gesichert und deshalb gingen wir meist dort durch, denn die Türen führten zum gleichen Innenhof. Sie gehörten zur kommunalen Wohnungsverwaltung. Wir hatten einen privaten Besitzer und der wollte sein Anwesen sichern. Dass er uns dadurch im Quergebäude ohne Klingelanlage einschloss, war ihm egal und wir nahmen es hin.

Sehr bald nach der Öffnung der Grenzen bekam der bisher freie Zugang zum Innenhof ein Tor und ist seitdem Tag und Nacht fest verschlossen. Den Bewohnern ist das viel lieber sagen sie. Den neuen Eigentümern sowieso. Der Durchgang sei vor allem bei den vietnamesischen Zigarettenhändlern beliebt gewesen, die dort ihre Waren gebunkert hatten, meinten die Leute. Die damals überall auftauchenden Teppichhändler hätten auch viel zu leicht in die Häuser gekonnt. Einer von ihnen hatte eine Frau vergewaltigt, aus Wut, weil sie ihm keinen Teppich abgenommen hatte.

Die angrenzenden Häuser halten ihre Türen jetzt ebenfalls alle verschlossen und sind mit ordentlichen Klingelanlagen versehen. So ohne weiteres kommt man nicht mehr rein. Kürzlich wollte ich mal wieder durch diesen Innenhof gehen, an dem ich so viele Jahre gewohnt hatte. Ich drückte auf irgendeinen Klingelknopf und als ich gefragt wurde, wer da sei, brummelte ich undeutlich: „Prospekte“. Man muss jetzt schwindeln, sonst wird man nicht akzeptiert“.

Trackback URL:
https://magda.twoday.net/stories/4216658/modTrackback

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 7170 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 12. Apr, 12:18

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Die Strafe folgt spät
Gestern am 01.04. 10 (indes kein Aprilscherz!)musste...
malef - 2. Apr, 19:03
Das...
...kenn ich. Ganz genau so. Nur: "Wenn es ein Urteil...
rivka - 14. Mär, 16:59
Immer wieder ein Sonnenuntergan
Heute mal wieder ein schönes Bild von den Tatsachen...
Magda - 3. Feb, 19:44
Nächtliches Kunsterlebnis
Letzte Nacht konnte ich lange nicht einschlafen - weiß...
Magda - 3. Feb, 09:14
Jerome D. Salinger
Wenn ich mich recht erinnere, erschien Salingers „Fänger...
Magda - 28. Jan, 21:27