Alltag und Politik

Montag, 18. Januar 2010

SPENDENGALA

Mir sind Spendengalas, überhaupt die Zurschaustellung unendlicher Wohltätigkeit , schon immer mehr als verdächtig .Manchmal sind sie sicherlich ganz nützlich. Die Aidsstiftung, die Obdachlosenhilfe, Kinderdörfer, Selbsthilfeinitiativen - sie alle profitieren von Spendengalas und da kommt mir der Rahmen auch halbwegs akzeptabel vor.

Aber jetzt stockt bei mir die innere Bereitschaft zur Toleranz gegenüber diesem Gala-Treiben: Dieses Erdbeben in Haiti ist so apokalyptisch, dass ich eine Spendengala – noch dazu von diesem unsäglichen Thomas Gottschalk moderiert – nur als Obszönität verstehen kann.
Mir kommt die Spendengala vor wie eine andere Seite der Apokalypse.

Ich sehe die Promis lächelnd über den Teppich rauschen – der zu ihren Füßen noch nicht bebt - wie schön. Ich sehe sie den Darbietungen lauschen und höre, wie der Saal vom Beifall bebt. Ich sehe sie bebend vor Geilheit, von der Kamera erwischt zu werden.
Und denke mir: Alles, was da zusammenkommt, käme auch zusammen, wenn irgendwo anders kein Krieg wäre, der zu finanzieren ist.

Es ist mir übel bis unbehaglich, dieses mitmenschliche Getue nach dem Motto: Mag anderswo die Erde beben, wir lassen unsere Promis leben.

Abschließende Predigt: Seid dankbar, Ihr Eitlen, dass sich die Erde nicht wirklich mal auftut – eines Tages - unter der Wucht der Ungerechtigkeit, der einseitigen Belastungen und ungleichen Chancen. Sie könnte kippen die Welt und Abgründe könnten sich auftun. Und dann hilft keine Gala mehr, sondern nur noch die Galeere für die Ungerechten.
Amen, Halleluja.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Musikalische und politische Plagiate

Wenn man nur acht Takte eines musikalischen Werkes, das es bereits gibt, selbst verwendet, dann ist man noch kein Plagiator. Das wurde heute beim Chorsingen durchgenommen. Anlass war der Shanty vom Hamburger Fährmaster, den ein pfiffiger Komponist namens Arndt Bause für sein „Sing mei Sachse sing“ verwendet hat. Der Schluss des Liedes ist dann acht Takte vom „Adelheid schenk mir einen Gartenzwerg“. So kommt was zusammen.

Abgesehen von den Infos über gesetzeskonformes Plagiieren haben wir uns heute auch wieder gesteigert. Mit russischen Liedern und – hihi – ABBA-Songs. „I have a dream“ und „The winner takes it all“. Das singt sich auch richtig gut – hätte ich nicht gedacht.

Die taz stellt fest, dass der Neoliberalismus die Welt in die größte Krise seit Hitler und Stalin geritten hat. Es kommt mir nicht so toll übertrieben vor.

Da fällt mir nur die "Internationale" ein. Ich habe eine kleine Spieluhr, die die erste Melodienfolge daraus abspielt.

Und die SPD plagiiert politische Vorschläge der "Linken". Sie wollen jetzt doch die Tobin-Steuer, die Steuer auf internationele Devisengeschäfte, einführen. Auch wegen der Streitigkeiten um diese Steuer ist Lafontaine damals zurückgetreten. Man fasst es nicht.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Rückkehr des Zorns

"Der Mensch ist nicht gut. Die Gesellschaft verfolgt und bedroht die Armen, (...) Kein Wunder, dass ich jedesmal, wenn ich die Politiker im Scheinwerferlicht weise Sprüche klopfen höre, Lust habe sie zu ohrfeigen. Ob sie vom Krieg reden, von den Steuern von der Geldentwertung oder den Arbeitslosen, sie lügen mit dem einzigen Ziel, ihr auf Diebstahl gegründetes System zu bewahren. Und für dieses schmutzige Geschäft verkleiden sie sich (...) sprechen mit milder Stimme, schwitzen aber vor Angst um ihren guten Platz. Unmöglich, ihnen auch nur ein Wort zu glauben".

Als ich das heute las, fiel mir ein, dass in einer angekündigten Kultursendung die Rückkehr eines lange vermissten Lebensgefühls gewürdigt werden sollte. Das des Zorns.

Wieso Rückkehr? Die Medien konstatieren immer nur Zustände, die sie selbst widerspiegeln. In diesen Tagen sind auch die Medien Grund und Gegenstand des Zorns. Sie wählen aus, sie entscheiden in Komplizenschaft mit denen, die sie für am Mächtigsten halten, was auf die öffentliche Agenda soll und was nicht. Und vor allem, wie etwas öffentlich behandelt wird.
Wenn sie ein Thema nicht aufgreifen, verschwindet es. Öffentlicher Zorn wurde in den letzten Jahren als albernes Stemmen gegen den Strom der Zeit, als unmodern und lächerlich abqualifiziert. Jetzt ist er also wieder da

Das Zitat von oben aber ist alt. Es stammt von Claire Goll, stammt aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg und spielt auch noch in Frankreich. Es ändert sich nicht viel in der Politik.

Sonntag, 16. November 2008

Entfremdung

Eine Bekannte hat – im Rahmen ihrer Arbeit – eine Umfrage unter Leuten gemacht, die aus beruflichen Gründen pendeln müssen. Sie hat mit einem Mann gesprochen, der im Tiefbau arbeitet, dort gutes Geld verdient, aber unendlich schuften muss. Er ist wohl auch so Mitte 30, hat aber schon massive Rückenprobleme und andere beruflich bedingte Ausfälle. Sie arbeiten meist 10 bis maximal 15 Stunden. Meist fahren sie Freitagmittag nach Hause – im Falle des Befragten ist es eine Fahrt von Berlin in die Niederlausitz. Sie wissen natürlich nicht, ob es auch dabei bleibt. Es kann sein, dass sie Freitag noch weiterarbeiten müssen Das kann man ihnen erst immer in der letzten Minute sagen. So ist es nun mal – Halte Dich zur Verfügung.

Die Ehefrau des Befragten arbeitet als Schweißerin. Sie steht morgens um vier Uhr auf, Sie weckt das Kind und macht es für den Kinderhort fertig. Dann arbeitet sie – meist auch länger als vorgesehen. Wenn sie nach Hause kommt, ist sie erst einmal fix und fertig. Sie behandelt die schmerzenden Knie und geht dann gegen 20 Uhr ins Bett. Sie hat für nichts anderes Zeit als für ihr Kind und die eigene Regeneration. Wenn sie zum Elternabend muss, ist das für sie schon eine Anstrengung.
Beide verdienen gut, aber niemand weiß, wie lange das geht und überhaupt. Und sie verdient wenig für diese schwer Arbeit. Es ist ein Glück, wenn man in diesem Lande Arbeit hat, aber der Preis ist oft hart.

Und nie, aber auch nie gibt es einen Beitrag im Fernsehen über Leute in ihrer Arbeit. Die Medien sind soweit weg von den wirklichen Problemen der Leute – eine Verblödungssendung löst die andere ab. Heute im presseclub waren die Vertreter des mainstreams wieder völlig „unter sich“. Wozu müssen die noch debattieren.
Sie waren – im Wesentlichen – einverstanden mit den Maßnahmen zur Stabilisierung, sie debattieren über Details des Rettungsplanes – am Ende kommt so ein Nebensatz: Für die Beschäftigten in manchen Branchen wird es eng. ich bin überhaupt gar nicht mehr „betroffen“ im engeren Sinne, aber ich finde, dass diese Gesellschaft so geteilt ist, so auseinander, dass es nicht gut sein kann. Leute sind massenhaft fremd in diesem Land. Sie müssen gar keine Migranten sein.

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Zuletzt aktualisiert: 12. Apr, 12:18

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