Montag, 12. Januar 2009

Kinderheime

Heute hat die Bundesfamilienministerin die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Kinder die in kirchlichen und staatlichen Heimen misshandelt wurden, abgelehnt.

Mir kamen so allerlei Erinnerungen. Ich war in den fünfziger Jahren zweimal in einem katholischen Kinderheim in der damaligen DDR, in Leipzig, untergebracht. Grund war eine schwere Erkrankung meiner Mutter.
Auch mein Bruder war für eine Weile mit mir zusammen in diesem Heim und später in einem anderen, ebenfalls kirchlichen Heim untergebracht. Er hatte auch ziemliche Verhaltensstörungen hatte.
Er verbrachte dort ungefähr ein Jahr. Als wir ihn besuchten, war er ausgeglichener und ruhiger und zugänglicher als er je zu Hause war. Er kam dann trotzdem wieder nach Hause, wäre aber lieber dort geblieben.

Zurück zu meinen eigenen Heim-Erinnerungen: Es ging mir in Leipzig-Engelsdorf im wesentlichen gut, wenn man von den ganz normalen Kinderkümmernissen, dem Heimweh und Streiterein untereinander absieht. Es wurde auch Rücksicht genommen auf kindliche Einwände und Abneigungen. Ich zum Beispiel mochte keine Ziegenmilch und bekam immer nur Kuhmilch. Man musste auch seinen Teller nicht leer essen und ähnliche Sitten.
Wir wurden sicherlich zu allgemeinem Gehorsam und Einhaltung von Regen angehalten, aber es gab außer Ermahnungen keine gravierenden Strafen.

Wenn ich heute so höre, wie in westlichen-kirchlichen Heimen mit Kindern umgegangen worden sein soll, dann wüsste ich doch gern, wieso die Verhältnisse in kirchlichen Heimen Ostdeutschlands offensichtlich so ganz anders waren als in Westdeutschland jener Zeit.
Ich kann nur annehmen, dass es dort ein anderes Erziehungskonzept gegeben haben muss und wüsste gern warum.

Ein Grund kann sein, dass die Kirchen von staatlichen Stellen scharf beobachtet wurden und es gab auch wenige kirchliche Kinderheime in der DDR.
Aber auch bei den staatlichen Heimen gab es offensichtlich nicht solche brutalen Verhältnisse.
Denn staatliche Heime sind nicht zu verwechseln mit den Jugendwerkhöfen in der DDR, die zum Strafvollzug gehörten und die – wie ich vermute – immer als Prototypen für die allgemeinen Zustände in DDR-Kinderheimen betrachtet werden.

Andererseits erinnern die Verhältnisse, von denen ehemalige Heimkinder-West berichten eher an die Jugendwerkhöfe. Erschreckt hat mich auch die Zahl der Heiminsassen im Westen. Zwischen 500.000 und 1 Million rechnen sie.
Schon seltsam, dass es so merkwürdig seitenverkehrte Verhältnisse gibt.

Es war nicht die beste Zeit meines Lebens dort Ich erinnere mich noch, wie ich im dritten Stock auf der Bodentreppe saß und auf die Straße blickte, weil ich hoffte, dass meine Mutter kommt. Aber sie kam lange gar nicht, weil sie noch im Krankenhaus war. Später dann besuchte sie mich oft. Ich war oft traurig, aber eine Kindertraurigkeit ist eben kein Trauma.

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Zuletzt aktualisiert: 12. Apr, 12:18

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