Sonntag, 8. März 2009

Die DDR in Dresden oder Tellkamps Turm

Uwe Tellkamp "Der Turm" - eine Verschwörungstheorie

So also war das. Die DDR war ein kleines Land, so klein, dass sie in Dresden stattfinden konnte. Und zwar auf einem kleinen Hügel, den sie beschönigend Weißen Hirsch nannten. Aber dieser Weiße Hirsch war verschmutzt von Kohlenstaub und kontaminiert durch totalitären Zugriff auf alles, was sich dort abspielte. In dieser DDR also, auf dem Dresdner Hügel, wohnten auf der einen Seite die Gedrückten und Angepassten, aber Hochgebildeten und litten an ihrem ständigen Unbehagen an der Diktatur. Sie wohnten in sehr schlecht verwalteten Villen. Man setzte ihnen, den halbwegs Privilegierten, noch privilegiertere Untermieter - raumgreifende Funktionärssöhnchen - in den ohnehin knappen Wohnraum. Wollte man nicht abgehört werden, musste man eine Runde im Freien durch Westrom drehen. Westrom - so hieß diese Seite der bürgerlichen Untertanen. Das war Westrom. Auf der anderen Seite - in einer militärisch bewachten Sonderzone - wohnten die Herrschenden, die waren noch wesentlich privilegierter als die Weströmer. Parteifunktionäre, angepasste Literaten, Apparatschiks aller Art - schreckliche Menschen insgesamt, einer von ihnen ein Schöngeist, aber böser Tierquäler.

Das war Ostrom. (Nicht zu verwechseln mit O-Strom, das ist eine besondere Form von Stromversorgung, die ohne Strom stattfindet)
Die Einwohner Westroms also litten unter den Zumutungen, denen sie durch die Herrschenden aus Ostrom ausgesetzt waren. Die Bewohner waren alle bürgerlich, aber woher dieses Bürgertum gekommen war bleibt völlig im Dunklen. Vielleicht von den Vorfahren - von denen einer Kommunist war und einst sogar im Hotel Lux logierte oder dem Handwerker-Vorfahr, der eine Tradition der schlagenden Uhrwerke hinterließ. Bürgerlich kann man immer werden auch ohne entsprechende Vorfahren, aber nicht Besitzbürger. Das verhinderten die von sowjetischen Satrapen beschützten oströmischen Marionetten. Die Bildungsbürger flüchteten darob verstärkt in Bildung, Bildung, Bildung. Und natürlich - das Cellospiel. Es gab auch reale Türmversuche aus dem Musennest Dresden, aber die missglückten aus technischen Gründen.

So geht es zu im landauf landab belobigten Werk "Der Turm" des Dresdner Autors Uwe Tellkamp. Wenn man das gelesen hat, tun einem die Dresdner Leid. Denn diese ganze DDR-Diktatur kann ja nichts anderes gewesen sein als eine Art Verwandtenstreit zwischen Ost- und Weströmern auf dem Dresdner Turm. Die einen waren kleinbürgerliche Funktionäre, die anderen waren Bildungsbürger. Sowohl das Werk von Tellkamp, als auch jene unterdrückten Menschen, die er sich bemüht mit Leben zu erfüllen, der Arzt, der Geisteswissenschaftler, der Künstler, werden von manchen Rezensenten hymnisch gefeiert, weil sie - durchgängig ihr Unbehagen an der Diktatur formulieren und dies in Worten und Wendungen, die auch der Nichtdiktaturerfahrene halbwegs versteht.

Überhaupt - es ist höchste Zeit für solch einen definitiven Singsang, denn es häufen sich die Klagen, dass sich beim Wissen über das Wesen der Diktatur in der DDR ganz erschreckende Defizite ausmachen lassen. Darüber wissen Schülerinnen und Schüler im Westen wesentlich mehr, als die im Osten. Das hat eine Studie ergeben. Wobei ,eigentlich ist dabei nur herausgekommen, dass die Schüler in Bayern z. B. einfach das Richtige wissen, während die im Osten auf ihre Eltern hören, die natürlich durch die Realität verblendet sind und auch nicht immer den Lehrplan in der Schule auswendig kennen.

Die Krankheit „Ostalgie“ bekämpfen

Dies schrie förmlich nach Änderung. Man musste jemanden finden, der aus dem Osten kommt und dennoch einen Sinn dafür hat, was über den Osten gern gehört wird. Eine Art Ost-West- Antenne musste der haben. Dann musste er noch gut schreiben können oder zumindest wollen. Und als er dann sein Buch zu Ende geschrieben hatte, musste man dekretieren, dass man das unbedingt gelesen haben muss, ja, dass vor allem jene, die an einer Krankheit namens Ostalgie leiden, ohne dieses Buch als unheilbar gelten müssen. Um diesem Schicksal oder Verdikt zu entgehen, wäre es für verstockte Ostalgiker am besten, diese oder jene der hymnischen Rezensionen auswendig lernen: Zum Beispiel die eines gewissen Tilman Krause in der "Welt". Der - ein ganz Begeisterter - postuliert dass dies das Buch des Jahrzehnts ist. Der Autor habe "den ultimativen Roman über die DDR, diese lächerliche sowjetische Satrapie auf deutschem Boden(geschrieben. Und zwar aus der Sicht derer, die nicht eine Sekunde daran zweifelten, dass sie dagegen waren. Das allein ist schon, nach all dem Wischiwaschi der Christa Wolfs, Volker Brauns, Christoph Heins und tutti quanti, eine nahezu erlösende Tat. So klar antikommunistisch, so voller schneidender Verachtung für das Proleten- und Kleinbürgertum, das 40 Jahre lang im Ostteil dieses Landes sein Gift verspritzen durfte, hat noch keiner, der aus diesen Breiten kommt, den Stab gebrochen." Aha, das ist die Botschaft und damit diese Botschaft auch sitzt, haben fast alle freundlichen Rezensenten die "Buddenbrooks" von Thomas Mann bemüht, um ordentlichen Glanz auf dieses Buch zu werfen. Mir aber scheint eine viel einleuchtendere Verbindung zu Thomas Mann über "Doktor Faustus" zu gehen. Weniger in der Form als in der Entstehungsgeschichte des Romans, die sich hier zu manifestieren scheint, könnte man etwas von der Versuchung des Dr. Faustus entdecken.

Dr. Fäustchen

Oder ist es doch mehr ein Dr. Fäustchen, in das sich ein Lektor gelacht hat, als er den Pakt mir Tellkamp schloss. Hat sich das Dresdner Bürgerkind zu einem Vertrag überreden lassen, mit dem Auftrag, den ultimativen Wenderoman zu schreiben, mit ganz sicherer Erfolgsgarantie durch das Rezensionsgewerbe? Hat der pfiffige Lektor eine Wunschliste abgeliefert, in der alle Reizworte, mit denen in den Zeiten nach der Wende die DDR charakterisiert wurde, verwendet und abgearbeitet werden: "Horch und Guck", die Jagd nach Delikatwaren, böse Schullehrer (die für Staatsbürgerkunde und Russisch), zynische Bonzen ,die Banane kommt auch vor - in vierzig Jahren DDR habe ich nicht soviel von der Banane reden hören, wie jetzt in den 20 Jahren danach. Allein das Unbehagen daran hat mich zu diesen Zeilen veranlasst. Ich weiß, ich verharmlose die Diktatur, aber die Tellkamp-Lektüre weckt solche Neigungen in mir.Es ist große Literatur schallt es landauf landab, aber ich finde, eine Ansammlung von Stilübungen ist noch kein Roman. Tellkamp will eine Fortsetzung vom "Turm" schreiben - das wird ein schöner Twintower.

Dienstag, 24. Februar 2009

Freiheit

Hannes Waders Aktualisierung von
„Trotz alledem“

Es scheint als ob das Kapital
In seiner Gier und alledem
wie eine Seuche sich total
unaufhaltsam trotz alledem

über unseren Planeten legt
überwältigt und beiseite fegt
was sich ihm nicht freiwillig
unterwerfen will trotz alledem


Gnadenlose und verhängnisvolle Verknüpfung zwischen Kapital und Freiheit - genau so war es - eine brutale Umdefinition. Viele haben es gesehen, beklagt, angeklagt und wurden als Spinner, als Populisten als Ewiggestrige und was sonst noch beschimpft oder in den Medien gar nicht ins Wort gelassen.

Schon gleich nach der Wende – schon 1990 - hat das Peter Rühmkorf sehr hellsichtig in seinem Tagebucheintrag in „Tabu I“ umrissen:
„Freiheit das große Passepartout für jederart Gruppenegoismen, Stammesfehden, kompromissunfähiges Selbstbestimmungswüten. Kenn das Ende vom Lied, das sich immer wieder für einen Anfang hält, noch von früher her auswendig- "Freiheit das Ziel,/Sieg das Panier/ Führer befiel - /Wir folgen Dir.“

Als ich das zum erstenmal las, meinte ich als frisch in die „Freiheit“ entlassene DDR-Bürgerin noch, dass diese Linken immer übertreiben müssen. Aber jetzt ..
Mir sehr einleuchtend mit dem unglaublichen Wüten der Neoliberalen, die den Freiheitsbegriff pervertiert haben.
Wollt Ihr die totale Freiheit – ist ähnlich gefährlich wie Repression, vor allem, wenn nur eine Seite die Macht hat, zu definieren, was Freiheit ist. .

Heute an anderer Stelle wird Horst Eberhard Richter beim Neujahrsempfang der Gewerkschaften zitiert: „Die Freiheit, hinter der sich Gier und Egoismus im Neoliberalismus verstecken, ist nicht die von der Französischen Revolution gemeinte Freiheit, die von Gleichheit und Brüderlichkeit (besser Geschwisterlichkeit) aufgefangen wird.“

Es ist befreiend, wenn dieser Freiheits-Verlogenheit endlich ein Ende gemacht wird, wenn der Begriff auf seine Ursprünge zurückgeführt wird.

Samstag, 14. Februar 2009

Palastgedanken

Sehr interessanter Beitrag in der Süddeutschen Zeitung über den Palast der Republik.

Zitat aus der Süddeutschen:

Die Münchner Architekturkritikerin Johanna Schmidt-Grohe, die den Palast wenige Wochen nach seiner Eröffnung in der Süddeutschen Zeitung sehr gelobt hatte, versteht bis heute nicht, warum das Gebäude für den Nachbau des historischen Schlosses in Berlin weichen musste. Historischen Revanchismus mag sie als Motiv nicht ausschließen. Wurde der Palast der Republik also rückgebaut, weil Walter Ulbricht ehedem die von den Amerikanern ausgebombte Berliner Schlossruine sprengen ließ? Johanna Schmidt-Grohe erinnert sich noch an ihre Besuche auf der Palast-Baustelle und an den Stolz der Arbeiter auf ihr Werk - immerhin das erste freitragende Stahlskelett in der DDR, wo sonst ja nur Platte verbaut wurde."

Alle behaupten, der Entscheid zum Abriss sei demokratisch entstanden – aber ich glaube, dass kein Abgeordneter - abgesehen von der PDS damals - sich überhaupt getraut hat, für den Palast zu stimmen. Ich bin – wenn ich mir das heute angucke – auch verbittert und wenn ich die hämischen, gehässigen Beiträge zum Palastabriss in der „Welt“ lese, dann entwickelt sich eine merkwürdige Stimmung von Demütigung und Frustration. Seltsam – aber ich habe zunehmend den Eindruck, ich bin nicht allein mit meinem Gefühl.


Das ist schon einige Monate her

Palast delr Republik

Donnerstag, 12. Februar 2009

Musikalische und politische Plagiate

Wenn man nur acht Takte eines musikalischen Werkes, das es bereits gibt, selbst verwendet, dann ist man noch kein Plagiator. Das wurde heute beim Chorsingen durchgenommen. Anlass war der Shanty vom Hamburger Fährmaster, den ein pfiffiger Komponist namens Arndt Bause für sein „Sing mei Sachse sing“ verwendet hat. Der Schluss des Liedes ist dann acht Takte vom „Adelheid schenk mir einen Gartenzwerg“. So kommt was zusammen.

Abgesehen von den Infos über gesetzeskonformes Plagiieren haben wir uns heute auch wieder gesteigert. Mit russischen Liedern und – hihi – ABBA-Songs. „I have a dream“ und „The winner takes it all“. Das singt sich auch richtig gut – hätte ich nicht gedacht.

Die taz stellt fest, dass der Neoliberalismus die Welt in die größte Krise seit Hitler und Stalin geritten hat. Es kommt mir nicht so toll übertrieben vor.

Da fällt mir nur die "Internationale" ein. Ich habe eine kleine Spieluhr, die die erste Melodienfolge daraus abspielt.

Und die SPD plagiiert politische Vorschläge der "Linken". Sie wollen jetzt doch die Tobin-Steuer, die Steuer auf internationele Devisengeschäfte, einführen. Auch wegen der Streitigkeiten um diese Steuer ist Lafontaine damals zurückgetreten. Man fasst es nicht.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Spielwiese Internet

Jetzt habe ich endlich DSL bekommen. Ein Spielzeug, von dem ich hoffe, dass es mich nicht nur zur Zerstreuung verführt.
Malerischer Schlosspark

Damit es neben dieser dürren Mitteilung nach was aussieht, dieses schöne Schlossparkbild

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