Eine Bekannte hat – im Rahmen ihrer Arbeit – eine Umfrage unter Leuten gemacht, die aus beruflichen Gründen pendeln müssen. Sie hat mit einem Mann gesprochen, der im Tiefbau arbeitet, dort gutes Geld verdient, aber unendlich schuften muss. Er ist wohl auch so Mitte 30, hat aber schon massive Rückenprobleme und andere beruflich bedingte Ausfälle. Sie arbeiten meist 10 bis maximal 15 Stunden. Meist fahren sie Freitagmittag nach Hause – im Falle des Befragten ist es eine Fahrt von Berlin in die Niederlausitz. Sie wissen natürlich nicht, ob es auch dabei bleibt. Es kann sein, dass sie Freitag noch weiterarbeiten müssen Das kann man ihnen erst immer in der letzten Minute sagen. So ist es nun mal – Halte Dich zur Verfügung.
Die Ehefrau des Befragten arbeitet als Schweißerin. Sie steht morgens um vier Uhr auf, Sie weckt das Kind und macht es für den Kinderhort fertig. Dann arbeitet sie – meist auch länger als vorgesehen. Wenn sie nach Hause kommt, ist sie erst einmal fix und fertig. Sie behandelt die schmerzenden Knie und geht dann gegen 20 Uhr ins Bett. Sie hat für nichts anderes Zeit als für ihr Kind und die eigene Regeneration. Wenn sie zum Elternabend muss, ist das für sie schon eine Anstrengung.
Beide verdienen gut, aber niemand weiß, wie lange das geht und überhaupt. Und sie verdient wenig für diese schwer Arbeit. Es ist ein Glück, wenn man in diesem Lande Arbeit hat, aber der Preis ist oft hart.
Und nie, aber auch nie gibt es einen Beitrag im Fernsehen über Leute in ihrer Arbeit. Die Medien sind soweit weg von den wirklichen Problemen der Leute – eine Verblödungssendung löst die andere ab. Heute im presseclub waren die Vertreter des mainstreams wieder völlig „unter sich“. Wozu müssen die noch debattieren.
Sie waren – im Wesentlichen – einverstanden mit den Maßnahmen zur Stabilisierung, sie debattieren über Details des Rettungsplanes – am Ende kommt so ein Nebensatz: Für die Beschäftigten in manchen Branchen wird es eng. ich bin überhaupt gar nicht mehr „betroffen“ im engeren Sinne, aber ich finde, dass diese Gesellschaft so geteilt ist, so auseinander, dass es nicht gut sein kann. Leute sind massenhaft fremd in diesem Land. Sie müssen gar keine Migranten sein.
Das ist schon putzig. Die Zeiten sind nicht gerade rosig, die Finanzkrise und die damit einhergehende Verunsicherung. Und siehe da – auf einmal finden sich Terroristen an, zumindest Absichtsterroristen.
Man kann auch sagen Ablenkungsterroristen.
Und in allen meinungsbildenden Beiträgen wird unterstrichen, dass die jetzige Krise der Investmentbanken keineswegs die Marktwirtschaft infrage stellt und die soziale schon gar nicht. Man fragt sich, warum sie dann so beflissen an ihr gesägt haben.
Der Kapitalismus hat seine Ehrbarkeit verloren“, beklagt in der Süddeutschen Zeitung Gustav Seibt.
Und dann weint er – schriftlich – um die guten alten Zeiten, wo der Kapitalist noch selbst ausgebeutet hat und nicht ausbeuten ließ und weist mit dem Finger auf die Hauptschüler, die so teure Handys haben und auch gierig sind. Man glaubt es nicht. Allen Anfertigern der herrschenden Meinung geht der Arsch mit Grundeis.
http://www.sueddeutsche.de/kultur/345/311268/text/
Ich habe auch ein bisschen gepostet
„Ein herrlicher Sermon – so als hätte der Kapitalismus nicht ständig Opfer gekostet – bis auf den heutigen Tag. Ehrbarkeit – wie herrlich.
Und wie er den Menschen die Leviten liest und über die Gier bei Arm und Reich lamentiert. Niemand entkommt dem Seibtschen Bannstrahl. Ehrlich, muss das sein?
Rettet den Kapitalismus oder besser noch – sonntagspredigermäßig – Betet für ihn. Amen!“
Ich war skeptisch, weil es ja so ein Medienknaller war, aber dann habe ich mit Vergnügen Uschi Obermaiers Memoiren „High Times“ gelesen. Als Buch und Film erschienen – lief ja alles unter dem Motto: Krawallnudel oder so. Das kann ja sein, aber mir gefiel die unverstellte Sprache und die schonungslose Ehrlichkeit. Sowas bekommt irgendwann eine eigene Qualität. Das Buch beruht auf Interviews, die sie einem Journalisten Olaf Kraemer gegeben hat. Und da gab es einige Probleme wegen ihrer Direktheit, die ihr dann in geschriebener Form – wohl doch unheimlich geworden ist.
Buchrezensenten sagen, Kraemer hätte diesen bayrischen Vorstadtslang selbst erfunden und ihn dann Obermaier in den Mund gelegt. Ich glaube das aber nicht. Das Buch ist sicherlich sehr unausgeglichen im Stil, aber manchmal dachte ich mir: Wenn da jemand noch mal drüber gegangen wäre, dann könnte das durchaus ein kraftvolles Stück Literatur sein.
Sie nimmt ja wirklich kein Blatt vor den Mund und bleibt sich selbst treu. Als junges Mädchen erkennt sie bald, dass eine Tätigkeit als Retuscheurin – sie beginnt eine entsprechende Lehre - wohl nicht so richtig das ist, was sie vom Leben erwartet. Was sie will ist Musik und Männer. Leben genießen und kiffen und überhaupt. Männer sind leicht zu kriegen, die fliegen auf sie, sie ist ein schönes Mädchen. Zum Beispiel der allseits noch immer sehr bekannte Rainer Langhans. Die Kommunegeschichten kennt man ja alles aus den Medien. Andere haben ihr angekreidet, dass sie auf politische Zusammenhänge nicht eingeht. Sie war halt unpolitisch – sie macht daraus auch kein Hehl. Aus Liebe hat sie sich auf den – seinerseits ja auch nicht allzu politischen Langhans eingelassen.
Mit Musikern hat sie auch recht intensive Begegnungen. Herrliche Sätze tauchen auf wie: „Manchmal war es mit den Musikern allerdings auch total niederziehend. Besonders mit den Kinks“. Die waren wohl nicht gerade nett zu Groupies.. Mir gefällt, dass die Obermaier das auch das nichtt nicht ausspart, Momente, in denen sie sich billig vorkommt. Mit Keith Richards von den Stones hat sie eine episodenweise Liaison. Das Leben mit Langhans ist irgendwann langweilig, Politik und Selbstfindung sind nicht ihre Sache. Also hin zu diesem Dieter Bockhorn. Der ist einer der Macker auf dem Hamburger Kiez, sie führen ein wildes Leben – Rauschgift kommt dazu. Bockhorn muss auch mal in den Knast.
Immer mal wieder steht die Frage, ob ihr Lover sie nicht auch auf den Strich schickt, aber das lässt sie sich nicht bieten Überhaupt setzt sie den Männern sehr viel Eigensinn entgegen, ist zum Teil schonungslos und hart. Sie lässt sich eben von Männern die Butter nicht vom Brot nehmen, aber wenn sie liebt ist sie großzügig und unendlich geduldig. Ich weiß immer nicht, ob erstere oder die letztere Eigenschaft die Männer mehr ängstigen.
Bockhorn und sie fliehen irgendwann auch vor den zunehmenden Gewalttätigkeiten auf dem Kiez. Mit einem Riesen Wohnmobil - allein schon die Art, wie sie das Ding finanziert haben, ist herrlich - touren sie durch Asien. Furchtlos und neugierig auf das Leben. Das sind schon tolle Geschichten, die sie da zu erzählen hat.
Die zweite Tour geht in die USA, wo Bockhorn, der mehr und mehr zum Junkie wird, mit dem Motorrad verunglückt. Sie stellt sich dem Niedergang entgegen und schafft sich eine neue Existenz. Und sie muss mit dem Altern fertig werden. Wie sie das tut- alle Achtung. Schon bei der Schilderung ihrer Modelerfahrungen ist sie von gesundem Realismus und erkennt, wie austauschbar Schönheiten sind, wenn da nicht noch was ganz Eigenes Unverwechselbares dazu kommt. Sie hasst es, von Casting zu Casting zu hetzen - überhaupt hält sich ihr Ehrgeiz in Grenzen. Gefällt mir auch, diese Unverbissene.
Es gibt sehr viele schöne Frauen, die Obermaier imponiert damit, dass sie neben dieser Schönheit eine Persönlichkeit ist, mit großer Stärke, viel Eigensinn und einem eigentlich guten Herzen, das sie aber nur zeigt, wenn sie in Stimmung dafür ist.
Sie will jetzt in Ehren eine ältere Dame werden. Na, wird doch.
Kommentar zu einem Beitrag in "Die Zeit"
Es kann ja sein, dass man naiv ist, wenn man das Bild, das die SPD mit ihrer Politik gegenwärtig bietet, abscheulich findet. Berechtigt wird wohl der Einwand sein, dass auch andere Parteien ... siehe Berliner CDU ... und so weiter. Aber, man ist wie man ist und guckt sich jene an, die Solidarität im Munde führen.
Die ganze SPD-Aktion und vor allem der sich so bieder gebende Müntefering machen mir schlicht und ergreifend einen Würgereiz. Einer der so volkstümlich, so Eins in Eins mit den Genossen tut und sich so „drüber“ dünkt, so viel weitsichtiger, als das dumm im Tal stehende Stimmvieh, das noch hinauf auf die Höhen der gegenwärtigen Machtkämpfe gezwungen werden muss. Diese Kante zeigen und Geschlossenheit und Arm in Arm – Politik wird dadurch nicht menschennäher und wärmer, sondern abstoßend und albern.
Schon Günter Gaus hat – als er vor vielen Jahren den Müntefering in seiner Sendung „Zur Person“ befragt hat, ihn immer wieder mahnen müssen, die gestanzten Floskeln zu vermeiden. Er tat damals als wisse er nicht, was gemeint ist, So tut er auch jetzt. Der ist in seinem Element. Er weiß oder meint zu wissen, was das Volk will und dass das Volk schnell vergisst. Er liebt es dafür und er verachtet es dafür. Das kommt mir aus anderen Zeiten alles sehr und unappetitlich bekannt vor.
Ich glaube deshalb nicht, dass Müntefering ein „Münte“ ist . Dessen Namen sollte man schon in voller Länge aussprechen, weil er in aller Ausführlichkeit wenig von jemandem „wie Du und ich“ hat, auch wenn er so tut. Dieses andauernde „So tun als ob“ nun wieder ist ein weiterer Grund, dass einen diese ganze Veranstaltung so suspekt ist.