Sonntag, 21. September 2008

Uschi Obermaier "High Times" und Hot Times

Ich war skeptisch, weil es ja so ein Medienknaller war, aber dann habe ich mit Vergnügen Uschi Obermaiers Memoiren „High Times“ gelesen. Als Buch und Film erschienen – lief ja alles unter dem Motto: Krawallnudel oder so. Das kann ja sein, aber mir gefiel die unverstellte Sprache und die schonungslose Ehrlichkeit. Sowas bekommt irgendwann eine eigene Qualität. Das Buch beruht auf Interviews, die sie einem Journalisten Olaf Kraemer gegeben hat. Und da gab es einige Probleme wegen ihrer Direktheit, die ihr dann in geschriebener Form – wohl doch unheimlich geworden ist.
Buchrezensenten sagen, Kraemer hätte diesen bayrischen Vorstadtslang selbst erfunden und ihn dann Obermaier in den Mund gelegt. Ich glaube das aber nicht. Das Buch ist sicherlich sehr unausgeglichen im Stil, aber manchmal dachte ich mir: Wenn da jemand noch mal drüber gegangen wäre, dann könnte das durchaus ein kraftvolles Stück Literatur sein.

Sie nimmt ja wirklich kein Blatt vor den Mund und bleibt sich selbst treu. Als junges Mädchen erkennt sie bald, dass eine Tätigkeit als Retuscheurin – sie beginnt eine entsprechende Lehre - wohl nicht so richtig das ist, was sie vom Leben erwartet. Was sie will ist Musik und Männer. Leben genießen und kiffen und überhaupt. Männer sind leicht zu kriegen, die fliegen auf sie, sie ist ein schönes Mädchen. Zum Beispiel der allseits noch immer sehr bekannte Rainer Langhans. Die Kommunegeschichten kennt man ja alles aus den Medien. Andere haben ihr angekreidet, dass sie auf politische Zusammenhänge nicht eingeht. Sie war halt unpolitisch – sie macht daraus auch kein Hehl. Aus Liebe hat sie sich auf den – seinerseits ja auch nicht allzu politischen Langhans eingelassen.

Mit Musikern hat sie auch recht intensive Begegnungen. Herrliche Sätze tauchen auf wie: „Manchmal war es mit den Musikern allerdings auch total niederziehend. Besonders mit den Kinks“. Die waren wohl nicht gerade nett zu Groupies.. Mir gefällt, dass die Obermaier das auch das nichtt nicht ausspart, Momente, in denen sie sich billig vorkommt. Mit Keith Richards von den Stones hat sie eine episodenweise Liaison. Das Leben mit Langhans ist irgendwann langweilig, Politik und Selbstfindung sind nicht ihre Sache. Also hin zu diesem Dieter Bockhorn. Der ist einer der Macker auf dem Hamburger Kiez, sie führen ein wildes Leben – Rauschgift kommt dazu. Bockhorn muss auch mal in den Knast.

Immer mal wieder steht die Frage, ob ihr Lover sie nicht auch auf den Strich schickt, aber das lässt sie sich nicht bieten Überhaupt setzt sie den Männern sehr viel Eigensinn entgegen, ist zum Teil schonungslos und hart. Sie lässt sich eben von Männern die Butter nicht vom Brot nehmen, aber wenn sie liebt ist sie großzügig und unendlich geduldig. Ich weiß immer nicht, ob erstere oder die letztere Eigenschaft die Männer mehr ängstigen.

Bockhorn und sie fliehen irgendwann auch vor den zunehmenden Gewalttätigkeiten auf dem Kiez. Mit einem Riesen Wohnmobil - allein schon die Art, wie sie das Ding finanziert haben, ist herrlich - touren sie durch Asien. Furchtlos und neugierig auf das Leben. Das sind schon tolle Geschichten, die sie da zu erzählen hat.
Die zweite Tour geht in die USA, wo Bockhorn, der mehr und mehr zum Junkie wird, mit dem Motorrad verunglückt. Sie stellt sich dem Niedergang entgegen und schafft sich eine neue Existenz. Und sie muss mit dem Altern fertig werden. Wie sie das tut- alle Achtung. Schon bei der Schilderung ihrer Modelerfahrungen ist sie von gesundem Realismus und erkennt, wie austauschbar Schönheiten sind, wenn da nicht noch was ganz Eigenes Unverwechselbares dazu kommt. Sie hasst es, von Casting zu Casting zu hetzen - überhaupt hält sich ihr Ehrgeiz in Grenzen. Gefällt mir auch, diese Unverbissene.

Es gibt sehr viele schöne Frauen, die Obermaier imponiert damit, dass sie neben dieser Schönheit eine Persönlichkeit ist, mit großer Stärke, viel Eigensinn und einem eigentlich guten Herzen, das sie aber nur zeigt, wenn sie in Stimmung dafür ist.

Sie will jetzt in Ehren eine ältere Dame werden. Na, wird doch.

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