Sonntag, 16. November 2008

Entfremdung

Eine Bekannte hat – im Rahmen ihrer Arbeit – eine Umfrage unter Leuten gemacht, die aus beruflichen Gründen pendeln müssen. Sie hat mit einem Mann gesprochen, der im Tiefbau arbeitet, dort gutes Geld verdient, aber unendlich schuften muss. Er ist wohl auch so Mitte 30, hat aber schon massive Rückenprobleme und andere beruflich bedingte Ausfälle. Sie arbeiten meist 10 bis maximal 15 Stunden. Meist fahren sie Freitagmittag nach Hause – im Falle des Befragten ist es eine Fahrt von Berlin in die Niederlausitz. Sie wissen natürlich nicht, ob es auch dabei bleibt. Es kann sein, dass sie Freitag noch weiterarbeiten müssen Das kann man ihnen erst immer in der letzten Minute sagen. So ist es nun mal – Halte Dich zur Verfügung.

Die Ehefrau des Befragten arbeitet als Schweißerin. Sie steht morgens um vier Uhr auf, Sie weckt das Kind und macht es für den Kinderhort fertig. Dann arbeitet sie – meist auch länger als vorgesehen. Wenn sie nach Hause kommt, ist sie erst einmal fix und fertig. Sie behandelt die schmerzenden Knie und geht dann gegen 20 Uhr ins Bett. Sie hat für nichts anderes Zeit als für ihr Kind und die eigene Regeneration. Wenn sie zum Elternabend muss, ist das für sie schon eine Anstrengung.
Beide verdienen gut, aber niemand weiß, wie lange das geht und überhaupt. Und sie verdient wenig für diese schwer Arbeit. Es ist ein Glück, wenn man in diesem Lande Arbeit hat, aber der Preis ist oft hart.

Und nie, aber auch nie gibt es einen Beitrag im Fernsehen über Leute in ihrer Arbeit. Die Medien sind soweit weg von den wirklichen Problemen der Leute – eine Verblödungssendung löst die andere ab. Heute im presseclub waren die Vertreter des mainstreams wieder völlig „unter sich“. Wozu müssen die noch debattieren.
Sie waren – im Wesentlichen – einverstanden mit den Maßnahmen zur Stabilisierung, sie debattieren über Details des Rettungsplanes – am Ende kommt so ein Nebensatz: Für die Beschäftigten in manchen Branchen wird es eng. ich bin überhaupt gar nicht mehr „betroffen“ im engeren Sinne, aber ich finde, dass diese Gesellschaft so geteilt ist, so auseinander, dass es nicht gut sein kann. Leute sind massenhaft fremd in diesem Land. Sie müssen gar keine Migranten sein.

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