Dienstag, 25. Dezember 2007

Abba Heitschi Bumbeitschi – Codename „Himmel“

Schon immer ging es mir so. Wenn ich im Advent das Wiegenlied Abba Heitschi Bumbeitschi hörte, wurde mir nicht gemütlich, sondern unheimlich grauslig.

1. Aber heitschi bumbeitschi, schlaf lange,
es is ja dei Muatta ausgange,
sie is ja ausgange und kimmt nimma hoam
und lasst des kloa Büabale ganz alloan.
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum.

Ein grausliger Text ist das zu einer gemütlichen Musik und darum verweilte ich nie allzu lange bei dieser Emotion.

Jetzt plötzlich auf einmal: Bei einem vorweihnachtlichen Konzert mit den üblichen erbaulichen Liedern trat auch der österreichische Chansonnier Michael Heltau auf. Und der nahm sich dieses Heitschi Bumbeitschi vor. Er sang es nicht, sondern deklamierte es so, dass einem der Schrecken, der dieses Lied umgibt, direkt unter die Jacke fuhr, so dass sich die Haare aufstellen.

2. Aber heitschi bumbeitschi, schlaf süaße,
die Engelein lassn di grüaßn!
Sie lassen di grüaßn und lassn di fragn,
ob du in' Himml spazieren willst fahrn.
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum.

Aha, nicht nur die Mutter is „ausgange“ auch andere Mächte haben das langschlafende Kind schon im Visier und winken mit schönen Zerstreuungen, damit es sich zu seinem Nutzen von der Erde löst.

Gehüllt in dubiose vernebelnde Trauer, suchte ich Aufklärung. Wo findet man die heutzutage? Im Internet natürlich. Man muss nur Heitschi Bumbeitschi eingeben, dann wird einem zwar nicht komplette Aufklärung zuteil, aber man kann höchst lehrreich an den Bemühungen vieler Internetuser an der Gewinnung von Klarheit teilnehmen. Tröstlich ist, dass es viele Leute gibt, denen das Lied noch nie geheuer war. In einem Forum postete eine Teilnehmerin, dass ihre Tochter bei diesem Lied immer geschrie’n habe, dass sie das nicht hören wolle und sogar zu weinen begonnen hätte.

Woher kommt das Heitschi Bumbeitschi-Lied?
Es stamme wohl aus Südtirol sagen die einen und entwerfen ein Zeitgemälde über die damaligen Verhältnisse in einer Landschaft, deren Bewohner hart und rastlos für ihr tägliches Brot arbeiten mussten. Die Kindersterblichkeit war ebenso hoch, wie die der Mütter. Also sei das Lied durchaus realistisch für diese Zeit. Dass die Beziehung zu Kindern anders war, dass der Herrgott sie halt gab und nahm, dass viele das erste Lebensjahr nicht erlebten – das alles vermittelt dieser Singsang mit seinen dunklen Versen.

3. Aber heitschi bumbeitschi, in Himml,
da führt di a schneeweißer Schimml,
drauf sitzt a kloans Engerl mit oana Latern,
drein leuchtet vom Himml da allerschönst Stern.
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum.

Ist das ein Trost? Und ist das Kind bereit, sich zu ergeben und der Mutter zu folgen, wenn es im Fieberwahn den lockenden Singsang hört? Das hatte damals seine Lebenslogik weil es ohne Mutter noch schwieriger war, ein Kind aufzuziehen. Da wars schon besser, es ging auch in den Himmel.

Abba der Heitschi Bumbeitschi – wer oder was ist das nun?
Die Frage bleibt im Raum. Die einen meinen, es sei ja nichts als ein lautmalerischer Singsang. Aber nein, meinen andere, ist hat zu tun mit der damaligen Türkengefahr. Immerhin könne man das „Heitschi“ in der Nähe von Hadschi ansiedeln, dem Namen eines Menschen, der an der Fahrt nach Mekka teilgenommen hat. Wie das Bumbeitschi zustande kommt, das könne mit einem gefährlichen türkischen General zu tun haben. Bekannt sei, dass auf dem Balkan christliche Knaben von Osmanischen Soldaten entführt und für den Sultanshof erzogen wurden, aus ihnen rekrutierten sich die Janitscharen, die Privatarmee des Sultan. So sei diese Beschwörung des Heidschi Bumbeitschi eine Variante der Drohung mit einer angsterzeugenden Figur. Das kann der schwarze Mann sein aber auch der Türke oder sonst noch was in der Richtung fremder böser Mächte.

Andere wieder haben erforscht, dass diese Wendung aus dem Griechischen stammt und über Wien in den deutschen Sprachgebrauch kam. So sei ein österreichischer Herzog einst mit der Tochter eines byzantinischen Kaisers verheiratet gewesen. Die habe ihren Kindern ein griechisches Wiegenlied vorgesungen: "Heude mu paidion" (Schlaf, mein Kind) und daraus hätten die Wiener Heidschi Bum-beidschi gemacht.

Von der türkischen Gefahr zur sprachlichen Eingemeindung eines griechischen Wortes. Die Forschung im Internet ist schon voller Extreme.
Es bleibt die Tatsache, dass in der Zeit, als das Kinderlied entstand, der Kindstod nichts Besonders war. Und wie erwartet, so kommt es denn auch:

4. Und da Heitschi-Bumbeitschi is kumma
und hat ma mei Büabal mitgnumma.
Er hat ma's mitgnumma und hats nimma bracht.
Drum wünsch i meim Büabal a recht guate Nacht!
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum+

Der Heitschi Bumbeitschi – was anderes kann er sein als der Tod.
Aus Südtirol stammt das Lied und von daher hat es was vom österreichischen Tanz ums Makabre.

Die Ängste bannen, in dem man ihnen vorgreift. Das Kind zum Himmel locken, wo es noch auf der Erde ist. Das alles gehört in diese wirre Welt.

Dass die Welt wirr ist, damit haben die Österreicher immer Recht. Denn während ich das Heitschi Bumbeitschi der Textexegese unterziehe, ermitteln zahlreiche Kriminalkommissare im Internet gegen einen umfangreichen Kinderpornoring. Codewort: „Himmel“. Oh, Mein Gott: „Abba Heitschi Bumbeitschi im Himmel.“

Samstag, 22. Dezember 2007

Kran in der Küche

Kran
Ist das nicht schön, bei uns werden die Esswaren mit dem Kran gebracht - Vorsicht keine Schleichwerbung.

Sonntag, 9. Dezember 2007

Glück

Was ist Glück – darüber gab es heute eine Sendung mit Safranski, Sloterdijk und der Monika Maron, die mit ihrem „Ach Glück“-Roman irgendwie auch in die Reihe jener geriet, die sich über diesen erstrebenswerten Zustand einigen wollten. Das Buch von Monika Maron handelt von einer Person, die nach obigem strebt, weil sie es in ihrem Umfeld nicht mehr findet. Und nun - so ist die Handlung – findet sie dieses Glück in einem kleinen Hund. Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Nun ausgerechnet ein Hund – das ist doch ziemlich platt. Allerdings habe ich die Monika Maron noch nie so richtig geduldig gelesen.

Ein bisschen Glück war ein Abend mit zwei weiteren Weibern am Freitag im „Miro“ in der Raumerstraße – eine wunderbare Kneipe. Wenn nur nicht an diesem Abend irgendein Büro seine Weihnachtsfeier dort veranstaltet hätte mit einem Mitarbeiter, dessen Stimme von der Art war, mit der man Blech schneiden kann, wäre er noch glücklicher gewesen. Wir haben diskutiert über den Film „Liebesleben“ nach dem Buch von Zheruya Shalev – ich kriege keinen Draht dazu, die beiden anderen Frauen aber schon. Mag eine Sache des Temperaments sein- mir sind in letzter Zeit zu extreme Geschichten einfach nicht so richtig wichtig. Aber das war trotzdem eine gute Unterhaltung.

Samstag, 8. Dezember 2007

Folter

Der Philosoph Slavoj Zisek, Direktor des Birkbeck Institute for the Humanities in London, hat vor einer „Normalisierung“ der Folter in Diskurs und Praxis gewarnt. Er hat dafür eine ziemlich lange Abhandlung geschrieben und sicherlich das Problem von allen Seiten beleuchtet. So stellt er fest: „Beispielsweise gilt als klares Zeichen von Fortschritt in der westlichen Gesellschaft, dass gegen Vergewaltigung nicht argumentiert werden muss: "Dogmatisch" ist jedem klar, dass Vergewaltigung "falsch" ist. Setzte sich jemand für die Legitimität von Vergewaltigungen ein, würde er so lächerlich wirken, dass er sich von jeder weiteren Beachtung disqualifizierte. Und dasselbe sollte auch für Folter gelten“.

Fernab von allen prinzipiellen Erwägungen ist die Tatsache, dass Geständnisse durch Folter erpresst wurden und es ein rechtsfernes Internierungslager auf einem USA-Stützpunkt in Kuba gibt, schon erschreckend in die Altags-, und Trivialkommunikation eingedrungen.
In einem Trailer für eine ARD Familienserie bejammert eine gestresste Hausfrau das Chaos’ in ihrem Haus und die Rüpeleien einiger Familienangehöriger mit den Worten: Das ist ja hier wie in Guantanamo. Ich dachte, ich habe mich verhört.
Eines Tages wird es so sein, dass Unterdrückung in diesem Lande mit dem Einverständnis der Mehrheit vollzogen wird und das ist ja schließlich Demokratie. Allerdings keine repräsentative Demokratie, sondern eine repressive.

Freitag, 31. August 2007

Der Geist von Potsdam

Ein hervorragender Beitrag über den neuen „Geist von Potsdam“ im heutigen „Freitag“ .

http://www.freitag.de/2007/35/07350301.php


Was ist noch Ironie und was der reine menschenverachtende Zynismus?
Ist es eine „Neiddebatte“ oder berechtigte Empörung, wenn man es zum Kotzen findet, dass Wolfgang Joop am liebsten al-Quaida anrufen möchte, angesichts der Potsdamer Neubauviertel, in denen sich die längst aus der Innenstadt vertriebenen Verlierer der Wende, die Arbeitslosen und die Geringverdiener sammeln?
Der Freitag-Autor schreibt über das Bemühen der neuen Reichen, den ehemaligen Mauerweg am Griebnitzsee, der nach der Wende für alle zugänglich war, jetzt wieder zu schließen, weil sie sich durch das „Volk“ belästigt fühlen. Noch hielte die Stadtverwaltung stand. ... berichtet er, aber „Inzwischen säumen den Uferweg punktuell Wehranlagen aus Beton und Drahtverhau, welche die Architekten der einstigen Grenzanlagen vor Neid erblassen lassen könnten. Das Ganze ist ein unbezahlbares Symbol für Ostdeutschland schlechthin. Die große Mauer ist gefallen, die vielen kleinen erheben sich.“

Eigenartig, vor geraumer Zeit schon habe ich auch mal so eine Anmerkung geschrieben über unseren ehemaligen großen Innenhof in der Schivelbeiner Straße.
Der hieß „Grenzen“ und ich kam zu einer ähnlichen Zeitdiagnose.

„Vor der Wende wohnte ich in einem Seitenflügel mit Blick auf einen der Hinterhöfe, die durch halboffene Ziermauern und andere teilende Bauelemente von einem weiteren großen und begrünten Innenhof abgegrenzt waren. In Berlin, wo es ohnehin die dunkelsten Hinterhöfe gibt, die man sich denken kann, war dieser durch Entkernung entstandene weite Raum ein Gewinn. Um zu meinem Seitenflügel zu gelangen, musste ich zwei Türen auf- und wieder zuschließen. Aber das Nachbarhaus war nicht so korrekt gesichert und deshalb gingen wir meist dort durch, denn die Türen führten zum gleichen Innenhof. Sie gehörten zur kommunalen Wohnungsverwaltung. Wir hatten einen privaten Besitzer und der wollte sein Anwesen sichern. Dass er uns dadurch im Quergebäude ohne Klingelanlage einschloss, war ihm egal und wir nahmen es hin.

Sehr bald nach der Öffnung der Grenzen bekam der bisher freie Zugang zum Innenhof ein Tor und ist seitdem Tag und Nacht fest verschlossen. Den Bewohnern ist das viel lieber sagen sie. Den neuen Eigentümern sowieso. Der Durchgang sei vor allem bei den vietnamesischen Zigarettenhändlern beliebt gewesen, die dort ihre Waren gebunkert hatten, meinten die Leute. Die damals überall auftauchenden Teppichhändler hätten auch viel zu leicht in die Häuser gekonnt. Einer von ihnen hatte eine Frau vergewaltigt, aus Wut, weil sie ihm keinen Teppich abgenommen hatte.

Die angrenzenden Häuser halten ihre Türen jetzt ebenfalls alle verschlossen und sind mit ordentlichen Klingelanlagen versehen. So ohne weiteres kommt man nicht mehr rein. Kürzlich wollte ich mal wieder durch diesen Innenhof gehen, an dem ich so viele Jahre gewohnt hatte. Ich drückte auf irgendeinen Klingelknopf und als ich gefragt wurde, wer da sei, brummelte ich undeutlich: „Prospekte“. Man muss jetzt schwindeln, sonst wird man nicht akzeptiert“.

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