Montag, 13. Februar 2006

Aus der Arbeitswelt

An meiner Arbeit finde ich nach wie vor die unterschiedlichen Aufgaben gut. Letzte Woche habe ich eine Lesung mit meinem eigenen Kram gemacht, die ein hübscher Erfolg war.
In der nächsten Woche halte ich einen kleinen Vortrag über Faschingsbräuche in allen Regionen. Danach gestalte ich einen Literaturnachmittag mit Büchern zum Thema „Familiengeschichten“. Zwischendurch wische ich immer mal wieder die Räume durch oder trage gemeinsam mit meinen Kolleginnen Tische und Stühle hin und her.
Im nächsten Monat stehe ich mit noch anderen für eine kleine Modenschau als Model zur Verfügung. Zwischendurch gestalte ich die Aufsteller, mit denen auf unsere soziokulturell segensreiche Tätigkeit hingewiesen wird. Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich diesen Job noch eine ganze Weile machen. Wenn ich das aber täte, wäre ich in einem Jahr restlos verarmt. Schon jetzt muss ich – bei dreißig Stunden Wochenarbeit – jeden Monat aus meinem Ersparten zubuttern, damit wir über die Runden kommen.
Ich bin dazu verdammt , mit 60 Jahren in Rente zu gehen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, eine Art von Minijob zu etablieren, dann würde ich sofort weiter arbeiten.
Ich gehe also mit enormen Abschlägen in Pansion und werde mich nebenher ehrenamtlich betätigen. Außerdem mache ich meine Redaktionsarbeit weiter.Die sind die einzigen, die ordentlich bezahlen.
Gestern war in der Sendung „Mona Lisa“ ein Beitrag über eine Frau in München, die mit ihrer Rente als arm gilt. Sie hat wohl so 1.000 Euro, will damit aber unbedingt ihre Wohnung in Schwabing halten, für die sie an die 700 Euro zahlt. Mit einer Rente in dieser Höhe leben fast alle Ossis, die ich kenne. Man kann, wenn man zu zweit ist, so mancherlei abfangen, aber allein wäre ich völlig aufgeschmissen. Und das nach einem Leben Vollbeschäftigung.

Sonntag, 22. Januar 2006

Uli Berger

Mein alter Freund ist gestorben. Ich bin in den letzten Wochen nicht mehr bei ihm gewesen, ich konnte einfach nicht. Vor zwei Tagen haben sie ihn wieder ins Krankenhaus gebracht. Dort hatte er – in der Dusche – einen Herzstillsand. Sie haben sich bemüht, ihn zurück zu holen, aber es war schon zu spät. Es sei wohl auch besser, sagte eine gemeinsame Bekannte, die mir Bescheid gesagt hat.U. als Rameaus Neffe
Eine lange Leidenszeit sei ihm erspart geblieben. Ich dachte mir seit meinem letzten Besuch in der Charité, dass das nichts mehr wird mit ihm.
Der inoperable Lungenkrebs, die Herzschwäche. Er hätte lange noch, aber mit unglaublich viel Mühe und Anstrengung leben können.
Mir tut weh, dass ich am Ende mit ihm zu keinem guten Abschluss gekommen bin. Ich war – auch nach so vielen Jahren –doch nicht so recht bereit zu einer Art von Souveränität. Ein anstrengender, verrückter und wenig angepasster Mensch, ein Egomane, wie es sie selten gibt. Aber ich habe ihn trotzdem gemocht, trotzdem. Er war ein kluger Kopf und ein schrulliger Denker. Wieder ist er mir einen Schritt voraus.

Sonntag, 15. Januar 2006

Ein alter Freund

Vor kurzem rief mich mein Freund U. an und ich war überrascht..
Er liegt zu Hause mit einer Sauerstoffmaschine und sagt, es geht ihm gut, soweit es einem in dieser Lage überhaupt gut gehen kann. Ich habe mich sehr gewundert über diesen Anruf, denn U. wartet immer, bis man sich selbst meldet.
Jetzt dachte ich , er will mich einladen oder einen Besuch anregen oder irgend so etwas. Deshalb spulte ich mein ganzes Repertoire herunter, weil ich mich wegen eigener Abhaltungen nicht gemeldet habe.
Man hatte mir gesagt, er sucht Ablenkung und es ist am besten, wenn man ihm ein bisschen was erzählt, denn er sei auch ziemlich erschöpft.
Aber am Ende kam heraus, dass er angerufen hat, weil er Geld braucht. Er hat so einen chinesischen Mediziner oder eine Klinik für chinesische Heilkunst, die ihm mit Akupunktur und Kräutern Hoffnung machen und das ist teuer und nun reicht das Geld nicht mehr. Ich war ziemlich verblüfft. Einerseits wegen der Illusionen, die er da hegt, andererseits wegen der Chuzpe. Schon immer hat U. die feste Grundüberzeugung gehegt, dass ihm andere Menschen was schuldig sind, weshalb er auch nie was zurückgezahlt hat, wenn er sich was geborgt hatte. Und das andere Problem ist, dass ich ihn deshalb nicht beschimpfen kann, ich kann es nicht mehr klären mit ihm. Er ist todkrank, wollte keine OP, weil die „Ärzte sowieso alle Idioten" sind. Die Chemotherapie schlägt wohl nicht mehr an und da ist er auf diese Idee gekommen.
Ich kann und ich würde ihm auch gar nichts geben. Immer hat U. aus der stärkeren Position gespielt, schon früher, vielleicht auch, weil ich mir das habe gefallen lassen. Aber jetzt – wo ich durchaus in der Lage wäre, mich gegen ihn zur Wehr zu setzen, da ist er krank und ich kann alles das nicht sagen, was ich ihm sagen wollte.

Vor vielen Jahren hat er mir die Schönheit Schubertscher Musik nahegebracht. Ich hatte von ihm "Die schöne Müllerin" mit Fritz Wunderlich geschenkt bekommen. Dann habe ich mir "Die Winterreise" gekauft und war verzaubert von der melancholischen Wucht und Schönheit. Später schenkte er mir die damals wertvolle Plattenkassette "Don Giovanni" mit Karl Böhm. Die Titelrolle sang Fischer-Dieskau. Ich sah ihm seine Grobheiten und seine unglaubliche Egozentrik nach, weil es durch ihn Entdeckungen gab, die ich allein nicht gemacht hätte. Und dann später. Ich kam zu ihm, da saßen einige seiner Freunde. Einer sprach kein Wort und blickte vor sich hin. Ein Freund U.s erklärte, das sei sein polnischer Geliebter, aber wenn er sich nicht in der DDR verheirate, dann könnten sich die beiden nicht sehen. U. schlug vor, dass ich den doch heiraten könnte. Und dann malte er mit viel Aplomb aus, wie sie mich ausstaffieren würden, wenn ich heirate. Ich lehnte das Ansinnen ab, ich war damals sehr allein und U. wusste das auch. Es gab eine böse Szene. Ich fühlte mich verletzt und bloßgestellt.

Und immer wenn ich mit ihm eine Erfahrung teilen wollte, war er mir einen Schritt voraus oder bestritt die Bedeutung dessen, was er mir vermittelt hatte. Er war immer schon wieder weiter, ich konnte machen was ich wollte. Er wollte nie einverstanden sein mit mir. Irgendwann habe ich diese Freundschaft als ausbeutend und ungleich empfunden und bald ist er ja auch gegangen.
Und jetzt - nach vielen Jahren - bin ich wieder hilflos. Er wird mir bald wieder einen Schritt voraus sein - eine Erfahrung machen, die ich nicht kenne. Er wird sterben und alles was uns bewegt hat, wird bedeutungslos sein.
Dass so viele Jahre vergehen mussten, bis mir klar wird, dass ich mich manchmal zu sehr anpasse an Menschen?

Samstag, 7. Januar 2006

Großstadtschneemann

Ein Riesenschneemann steht in einem Vorgarten, sehr mit Schmutz versetzt und auf dem Kopf eine schwarze Mülltüte. Sehr großstadttypisches Exemplar, aber trotzdem lustig.

Freitag, 6. Januar 2006

Legenden und Fakten

Der Große Führer Kim Il Sung
Ich mache alles, mal wasche ich ab, mal halte ich einen Vortrag.
Weil eine Referentin ausgefallen ist, habe ich mich ganz schnell ein bisschen auf asiatische Literatur vorbereitet. Es gab zum Glück einen sehr informativen Essay über die Entwicklung der koreanischen Literatur, was ja immer bedeutet Südkorea.
Angefangen habe ich mit meiner Erfahrung aus dem Beruf. Anfang Januar kamen früher meist zwei Genossen aus der nordkoreanischen Botschaft - sehr verhuscht und zurückhaltend - und brachten uns die Ansprache des Großen Führers King Il Sung aus Anlass des Neujahrstages. Die war in lackrotes Papier gebunden und mit Goldschnitt versehen.

Was drin stand das habe ich vergessen. Aber an die Lobeshymnen in einer Zeitschrift "Korea Today" kann ich mich noch gut erinnern. Der Große Führer leistete Wundersames, er konnte die Sonne zum Stehen bringen oder zumindest einen Berg versetzen, er beschützte ganz allein ein Dorf vor den Japanern. Wir haben darüber früher viel gelacht. Jetzt frage ich mich manchmal, ob es nicht – mal abgesehen vom zweifellos exzessiven Personenkult - zur Erzählkultur des Landes gehört, solche Dinge zu schildern. Vielleicht ist es unausgesprochener Konsens, dass dies als Legende zu lesen ist, als Gleichnis für die große Macht des Großen Führers.

Anlass für meine Überlegungen ist nicht nur die Beschäftigung mit der asiatischen Kultur. Mir fällt auf, dass das Geschrei eines Folkus-Chefredakteurs: „Fakten, Fakten, Fakten“ – ja am Ende auch nicht die ganze Wahrheit ans Licht des Tages bringt, sie verschleiert, wenn man es will.
Oder, dass die angeblich so objektiv arbeitende Meinungsforschung so lange die Fragen formuliert, bis rauskommt, was rauskommen soll. Die letzten Wahlen waren ja dafür ein eklatantes Beispiel. Eine Weile herrschte betretenes Schweigen an der Umfragenfront. Jetzt aber machen sie weiter, als seien sie nicht unredlich parteilich gewesen und hätten den Trend falsch vorausgesehen.
Legenden entstehen auch in einem Land der Ratio. Massenweise.

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Zuletzt aktualisiert: 12. Apr, 12:18

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