Freitag, 15. September 2006

Brandenburger "Sehnsucht"

Nachdem ich vor kurzem noch über die Brandenburger gelästert hatte, dann reumütig den hochgelobten Film „Sehnsucht“ angesehen.
Die Geschichte ist schnell erzählt. Ein Mann um die dreissig – glücklich mit seiner Jugendliebe verheiratet - lernt bei einer Feuerwehrschulung eine Kellnerin kennen, verbringt eine Nacht mit ihr und verliebt sich ernsthaft. Aber er liebt auch seine Frau. Und damit kommt er nicht zurecht. Das ist zuviel für sein Leben in Ordnung und Regelmäßigkeit.
Durch einen Unfall erfährt seine Frau davon. Sie verlässt ihn. Er versucht, sich das Leben zu nehmen. Aber es geht schief. Er lebt weiter mit einer der beiden Frauen. Mit welcher erfährt man nicht. Am Ende sitzen einige Kinder auf dem Klettergerüst eines Spielplatzes. und erzählen sich das Ganze wie eine alte Legende. Es ist wie eine griechische Tragödie. Worte wie „Tod“, „Schicksal“, „Leidenschaft“ kommen vor und werden aber als Kinderfragen gestellt.
Überwiegend wurde mit Laiendarstellern gedreht. Aber sie hielten nicht einfach ihr Gesicht hin, sondern die Geschichte wurde mit ihnen zusammen erarbeitet. Am Anfang stand auch nicht der Stoff, sondern über 200 Interviews mit Leuten in Brandenburg über ihre „Sehnsüchte“. Dann kam eine wirkliche Geschichte, eigentlich in einem französischen Dorf passiert ist, dazu.

Also da ist eine Szene: Da tanzt der Held - ein Brandenburger Allerweltsgesicht - ein bisschen betrunken und allein nach Robbie Williams „Feel" und darin liegt alle Sehnsucht nach noch einer anderen Art von Liebe, als die, mit der die Familienkaffeemühle in Gang gesetzt wird. Und auch die anderen Liebeszenen sind von der Sorte, die nicht so viel Haut braucht.
Es ist schon so, die wirkliche Erotik ist über den Kleidern – gerade in diesen übernackten Zeiten - im Gesicht in einer Geste in einer Bewegung. Manchmal liegt sie auch in der Stimme. Hier allerdings nicht, denn es wird wenig geredet. Und wenn – z.B. in dem Teil, als die Ehefrau mitkriegt, dass ihr Mann nicht mehr der Alte ist – dann sind es die falschen, viel zu großen Worte. “Ich begehre Dich so sehr“... das ist zuviel und „stimmt“ darum dann auch wieder. In ihrer Unsicherheit, was sie mit dem ihr entfremdeten Mann anfangen soll, will auch sie die „großen Gefühle“ wecken.
Sehr beeindruckend, die Art, wie die Regisseurin mit diesen sperrigen Leuten umgegangen ist.

„Das Land Brandenburg überrascht mich immer wieder", hat Valeska Grisebach in einem Interview gesagt.
„Da gibt es zunächst diese Ruppigkeit. Doch wer sich mit den Menschen an einen Tisch setzt, erlebt die Offenheit dieser Menschen. Und einen unwahrscheinlichen Humor, spontan. manchmal ein bisschen verschroben“.
Na, das schien mir wie eine Antwort auf meine Brandenburg-Meckerei.

Aber als Liebeslied singen sie im Dorfchor „Dat du min Leevsten bist“. Das ist schon nördlicher.

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Zuletzt aktualisiert: 12. Apr, 12:18

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