Stimmungs- und Wetterlagen
Heute mal wieder ein schönes Bild von den Tatsachen der Erde. Die Sonnen geht auf und unter, worüber Heinrich Heine schon ironisch gedichtet hat.
Das Fräulein stand am Meere...
Das Fräulein stand am Meere
und seufzte lang und bang.
Es rührte sie so sehre
der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! Sein sie munter,
das ist ein altes Stück;
hier vorne geht sie unter
und kehrt von hinten zurück.
Dies alles im Bewusstsein, noch eine sehr hübsche Anekdote mit politisch-ideologischem Hintergrund.
Zwei alte Genossen – fest überzeugt davon, dass die sozialistische Gesellschaft siegen wird - treffen sich und bereden die baldigen positiven Folgen dieses triumphalen Sieges.
Und weil man so einen Sieg noch besser auskostet, wenn man die Niederlage des Besiegten verbal feiert, bereden sie auch noch den ja überall spürbaren Niedergang der bürgerlichen Kultur.
Wie diese bürgerliche Kultur sich so immer tiefer ins Gestrüpp der Dekadenz verwickelt und in ihrer elitären Ferne von den arbeitenden Massen verkommt und wie sie damit so sicher und gesetzmäßig immer mehr und immer mehr untergeht.
Plötzlich seufzt einer der beiden Genossen auf: „Ja, das stimmt schon alles mit der bürgerlichen Gesellschaft und ihrem gesetzmäßigen Verschwinden.“
Der Andere, ideologisch-gefestigt, fragt streng nach: „Ja und, was ist daran zu beklagen? Fehlt es Dir an der richtigen Überzeugung?
„Nein“, meint der andere, „das nicht, aber – mein Gott, was für ein prachtvoller Sonnenuntergang“.
Vor vielen Jahren - es war wohl nach der Jubeldemonstration zum Geburtstag unserer sozialistischen Republik - verließ ich nach absolvierter Teilnahme an der Station "Schönhauser Allee" die S-Bahn und stieg zur Eingangshalle hinauf. Dort stand ein älterer Mann, ein bisschen verkommen, ein bisschen versoffen. Der rief den Leuten, die an ihm vorbei hasteten entgegen: "Ihr werdet so verarscht, ihr alle, warum lasst Ihr Euch das gefallen, das ist doch alles Scheiße hier". Und die Leute gingen vorbei, peinlich berührt. Auch ich passierte ihn wortlos.
Vor mir sagte ein Mann zu seiner Begleiterin: "Ach, ein Verrückter" hoffentlich kassieren sie den nicht ein. Der kriegt bloß Ärger.“
Und ich dachte: " Ich dachte: Er ist unglücklich, er ist krank, er hat in allem Recht. Es ist ein Wahnsinn.
Die DDR ging vorbei - ein Wahnsinn – und es wurde viel geschrieen.
Ich sehe sie öfter, wenn ich in die "Schönhauser Arcaden" einkaufen gehe. Sie sieht aus wie ein Model, sehr schlank mit einem ungeschminkten blassen Gesicht, das einen Visagisten aber sicher inspirierten könnte.
Ich denke, sie ist so Anfang der Dreißig, die aschblonden Haare hat sie meist hochgesteckt. Sie ist unauffällig aber originell gekleidet, eine Leinenhose mit einem TShirt. Manchmal hat sie ein Mützchen auf und einen Leinenbeutel über der Schulter.
Kürzlich betrat sie mit Riesenschritten die "Arcaden" und schrie den Leuten ihre Empörung uns Gesicht - eine Empörung, die man immer nur teilweise erahnen kann.
Auschwitz kommt vor, Palästina, Kaffeepreise. Immer wenn sie ihre Empörung ausspeit, sucht sie mit Blicken nach Leuten, die ihren Blick erwidern. Meist an der kleinen Kaffeebar, wo die Gäste an den Tischen sitzen bleibt sie stehen und schreit in die erstaunt aufblickenden Gesichter hinein.
Irgendwann geht sie weiter meist in den Supermarkt und dort hört man noch ihre Beschimpfungen. Auch wenn nicht Wort für Wort zu verstehen ist, sind es geschrienen Anklagen gegen die Welt, wie sie ist und vor allem gegen die Gleichgültigkeit der Menschen, die sie abwehrend oder belustigt anblicken.
Einige Tage zuvor war sie mir auf der Straße entgegengekommen auch schreiend, da kam merkwürdigerweise das Wort "Lafayette" vor und sie suchte wie immer den Blick der ihr Entgegenkommenden. Mich sah sie auch an, aber ich blickte nicht weg, sondern interessiert in ihr Gesicht. Das wollte sie nicht, das war keine Chance für eine direkte Konfrontation. Also ging sie weiter.
Ich dachte: Sie ist unglücklich, sie ist krank, sie hat in allem Recht. Es ist ein Wahnsinn.
(„Dein Herz hat anderswo zu tun“ – Ingeborg Bachmann)
Abschiede sind immer traurig, ob wirklich oder unwirkliche. Beides tut weh
Das triviale Bild vom Leben, das ein Karussell ist, und sich dreht und plötzlich sind die anderen Fahrgäste ausgestiegen und man selbst blickt ratlos in die Runde und bleibt allein zurück – es geht mir durch den Sinn und trübt mir die Stimmung.
Sie wird aufs Land ziehen, meine junge Freundin Und ich bin überrascht über die Größe meines Kummers. Noch ist sie ja da, aber wenn wir uns treffen, spüre ich, dass sie den Kopf fast abgewandt hat, sich schon wegdreht aus meinem Leben, zu etwas Neuem will und ich sie sehr vermissen werde.
Seltsam, wir sehen uns manchmal wochenlang nicht, haben auch schon Monate ins Land gehen lassen, aber ich wusste, sie ist da, ich kann hin und wieder nach ihr sehen in dem Buchladen, in dem sie arbeitet. Oft habe ich es sogar dabei belassen und sie gar nicht angesprochen, manchmal hat sie mich gesehen und wir haben ein bisschen geredet oder gleich beschlossen, dass wir uns treffen müssen.
Wenn wir uns im „Olivenbaum“ verabredet haben, dann habe ich vorher innerlich repetiert, was ich ihr gern erzählen möchte, damit ich nichts vergesse. Wir saßen beim Rotwein und haben geredet und geredet und auf dem Heimweg haben wir uns noch mal per SMS bestätigt, was das wieder für ein schöner Abend war und wie wir alles so gut besprochen haben. Sie hört so intensiv zu und ich muss bei ihr manchmal erst nachfragen. Hoffen kann ich nur, dass ich sie trösten konnte bei dem was bedrückend war, so wie sie mich getröstet hat.
Nach solchen Abenden holte mich mein Mann oft an der Straßenbahn ab und ich freute mich, wie gut ich es habe, gerade verabschiedet von einer guten Freundin, empfangen von einem vertrauten und fürsorglichen Partner.
Wir sind so verschieden. Sie – in den Vierzigern - immer in Bewegung immer auf der Suche, sieht so fragil aus und ist so tatkräftig. Nie würde sie wie ich stundenlang an einem Computer ausharren. Sie muss immer alles ändern, immer wieder neu gruppieren, immer alles umwerfen. In der Stadt ist sie ständig umgezogen. Ich fand das schrecklich und beeindruckend, diese Lust, immer wieder neu anzufangen, ein Durcheinander zu ertragen, das mich verrückt gemacht hätte.
Bewundert hat sie für mich oft für meinen Humor, für mein Zugehen auf Menschen, für mein Grundvertrauen in alle, die mir begegnen, für meine Bereitschaft zu riskieren, das etwas schief gehen kann, wenn man ein Spiel spielt, das man nicht wollte.
Dafür bin ich – die sich mit Worten doch so gut verteidigen kann - völlig hilflos am Steuer eines Autos, werde panisch bei jeder Änderung der Route, während sie gelassen fährt und andere Autos warten lässt, während sie geruhsam wendet.
Wenn man Glück hat, beschenken einen die Jahre mit neuen Empfindungen und Einsichten. Aber dieser Tage plagt mich das Herz mit Sehnsüchten, die wie ein „Flash back“ daherkommen, an bittere Abschiede aus alten Zeiten erinnern.
Noch einmal wünscht man sich tiefe Gefühle, noch einmal möchte man spüren, was intensives Leben heißt in einem Alltag, der sich verflacht und in Rituale aufgeteilt ist, die wiederholt und wiederholt werden.
Und jetzt weiß ich so im Abschied, dass meine Gefühle tiefer sind, als ich dachte, wenn wir unsere Zärtlichkeit füreinander zeigten. Schon lange weiß ich, nicht erst mit den Jahren, dass es eine Erotik des Gesprächs gibt und dass ich ohnehin erotisch nicht festliege
Ich liebe die leichten Berührungen, denn sie gehen mir mehr unter die Haut als Umarmungen, die einen in eine Form pressen wollen, die man nicht ist. Eine Fingerspitze ist mir erotischer als eine ganze vereinnahmende Hand.
Warum schreibe ich das? Weil auch diese leichten Berührungen mir bald nicht mehr zuteil werden. Die kleinen, schnellen Umarmungen, die Begegnung mit einer weichen Wange. Immer gab es die gute Balance aus Nähe und Abstand, die uns beiden so gut tut.
Manchmal ist das Leben hart und es gehen viele. Eine Freundin will mir nicht mehr wohl, eine andere entfernt sich in die Landschaft der Lausitz und einer, den ich nie gesehen habe, verschwindet in die Vergesslichkeit des Internets.
„Dein Herz hat anderswo zu tun“, heißt es in Ingeborg Bachmanns „Erklär mir, Liebe“. - So geht es in diesen Tagen mit „Lieben“, die mir für eine Weile freundlich und tröstlich den Blick zu jener grauen Nebelwand verstellten, hinter der das Alter wartet.
Schon immer ging es mir so. Wenn ich im Advent das Wiegenlied Abba Heitschi Bumbeitschi hörte, wurde mir nicht gemütlich, sondern unheimlich grauslig.
1. Aber heitschi bumbeitschi, schlaf lange,
es is ja dei Muatta ausgange,
sie is ja ausgange und kimmt nimma hoam
und lasst des kloa Büabale ganz alloan.
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum.
Ein grausliger Text ist das zu einer gemütlichen Musik und darum verweilte ich nie allzu lange bei dieser Emotion.
Jetzt plötzlich auf einmal: Bei einem vorweihnachtlichen Konzert mit den üblichen erbaulichen Liedern trat auch der österreichische Chansonnier Michael Heltau auf. Und der nahm sich dieses Heitschi Bumbeitschi vor. Er sang es nicht, sondern deklamierte es so, dass einem der Schrecken, der dieses Lied umgibt, direkt unter die Jacke fuhr, so dass sich die Haare aufstellen.
2. Aber heitschi bumbeitschi, schlaf süaße,
die Engelein lassn di grüaßn!
Sie lassen di grüaßn und lassn di fragn,
ob du in' Himml spazieren willst fahrn.
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum.
Aha, nicht nur die Mutter is „ausgange“ auch andere Mächte haben das langschlafende Kind schon im Visier und winken mit schönen Zerstreuungen, damit es sich zu seinem Nutzen von der Erde löst.
Gehüllt in dubiose vernebelnde Trauer, suchte ich Aufklärung. Wo findet man die heutzutage? Im Internet natürlich. Man muss nur Heitschi Bumbeitschi eingeben, dann wird einem zwar nicht komplette Aufklärung zuteil, aber man kann höchst lehrreich an den Bemühungen vieler Internetuser an der Gewinnung von Klarheit teilnehmen. Tröstlich ist, dass es viele Leute gibt, denen das Lied noch nie geheuer war. In einem Forum postete eine Teilnehmerin, dass ihre Tochter bei diesem Lied immer geschrie’n habe, dass sie das nicht hören wolle und sogar zu weinen begonnen hätte.
Woher kommt das Heitschi Bumbeitschi-Lied?
Es stamme wohl aus Südtirol sagen die einen und entwerfen ein Zeitgemälde über die damaligen Verhältnisse in einer Landschaft, deren Bewohner hart und rastlos für ihr tägliches Brot arbeiten mussten. Die Kindersterblichkeit war ebenso hoch, wie die der Mütter. Also sei das Lied durchaus realistisch für diese Zeit. Dass die Beziehung zu Kindern anders war, dass der Herrgott sie halt gab und nahm, dass viele das erste Lebensjahr nicht erlebten – das alles vermittelt dieser Singsang mit seinen dunklen Versen.
3. Aber heitschi bumbeitschi, in Himml,
da führt di a schneeweißer Schimml,
drauf sitzt a kloans Engerl mit oana Latern,
drein leuchtet vom Himml da allerschönst Stern.
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum.
Ist das ein Trost? Und ist das Kind bereit, sich zu ergeben und der Mutter zu folgen, wenn es im Fieberwahn den lockenden Singsang hört? Das hatte damals seine Lebenslogik weil es ohne Mutter noch schwieriger war, ein Kind aufzuziehen. Da wars schon besser, es ging auch in den Himmel.
Abba der Heitschi Bumbeitschi – wer oder was ist das nun?
Die Frage bleibt im Raum. Die einen meinen, es sei ja nichts als ein lautmalerischer Singsang. Aber nein, meinen andere, ist hat zu tun mit der damaligen Türkengefahr. Immerhin könne man das „Heitschi“ in der Nähe von Hadschi ansiedeln, dem Namen eines Menschen, der an der Fahrt nach Mekka teilgenommen hat. Wie das Bumbeitschi zustande kommt, das könne mit einem gefährlichen türkischen General zu tun haben. Bekannt sei, dass auf dem Balkan christliche Knaben von Osmanischen Soldaten entführt und für den Sultanshof erzogen wurden, aus ihnen rekrutierten sich die Janitscharen, die Privatarmee des Sultan. So sei diese Beschwörung des Heidschi Bumbeitschi eine Variante der Drohung mit einer angsterzeugenden Figur. Das kann der schwarze Mann sein aber auch der Türke oder sonst noch was in der Richtung fremder böser Mächte.
Andere wieder haben erforscht, dass diese Wendung aus dem Griechischen stammt und über Wien in den deutschen Sprachgebrauch kam. So sei ein österreichischer Herzog einst mit der Tochter eines byzantinischen Kaisers verheiratet gewesen. Die habe ihren Kindern ein griechisches Wiegenlied vorgesungen: "Heude mu paidion" (Schlaf, mein Kind) und daraus hätten die Wiener Heidschi Bum-beidschi gemacht.
Von der türkischen Gefahr zur sprachlichen Eingemeindung eines griechischen Wortes. Die Forschung im Internet ist schon voller Extreme.
Es bleibt die Tatsache, dass in der Zeit, als das Kinderlied entstand, der Kindstod nichts Besonders war. Und wie erwartet, so kommt es denn auch:
4. Und da Heitschi-Bumbeitschi is kumma
und hat ma mei Büabal mitgnumma.
Er hat ma's mitgnumma und hats nimma bracht.
Drum wünsch i meim Büabal a recht guate Nacht!
Aber heitschi bumbeitschi bumbum,
aber heitschi bumbeitschi bumbum+
Der Heitschi Bumbeitschi – was anderes kann er sein als der Tod.
Aus Südtirol stammt das Lied und von daher hat es was vom österreichischen Tanz ums Makabre.
Die Ängste bannen, in dem man ihnen vorgreift. Das Kind zum Himmel locken, wo es noch auf der Erde ist. Das alles gehört in diese wirre Welt.
Dass die Welt wirr ist, damit haben die Österreicher immer Recht. Denn während ich das Heitschi Bumbeitschi der Textexegese unterziehe, ermitteln zahlreiche Kriminalkommissare im Internet gegen einen umfangreichen Kinderpornoring. Codewort: „Himmel“. Oh, Mein Gott: „Abba Heitschi Bumbeitschi im Himmel.“
Es hat sich so eingebürgert, dass mein Mann meist vor mir aufsteht. Ich liege gern noch ein bisschen herum, halb schlafend halb wachend. Ich weiß, jemand kümmert sich ums Haus, schon bald duftet es nach Kaffee, gedämpfte morgendliche Geschäftigkeit, jemand ist da, ich bin geborgen und noch nicht an der Reihe mit den täglichen Aufgaben – all das liebe ich und schätze es.
Vielleicht ist es dieser Zustand, der mich dazu bringt, sonntags noch im Bett manchmal eine dieser religiösen Sendungen zu hören, mit denen der Pflicht zur Pflege der christliche Tradition in den öffentlich-rechtlichen Medien nachgekommen wird.
In diesen Sendungen betätigen sich Dienerinnen und Diener im Weinberg des Herrn, die ihrem Drang zum Künstlerischen gern christlich-erbaulichen Ausdruck verschaffen und fest davon überzeugt sind, damit ein gottgefälliges Werk zu tun. So hörte ich auch am dritten Adventssonntag eine solche Sendung. Verhandelt wurde die Begegnung zwischen Elisabeth der Mutter von Johannes dem Täufer und Maria, der Mutter Jesu Christi kurz nachdem diese Gottes Sohn vom Heiligen Geist empfangen hat:
In der Bibel liest sich das so:
39 Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
46 Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, /
47 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
48 Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. / Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
49 Denn der Mächtige hat Großes an mir getan / und sein Name ist heilig.
50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht / über alle, die ihn fürchten.
51 Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
52 er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen.
53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben / und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an / und denkt an sein Erbarmen,
55 das er unsern Vätern verheißen hat, / Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
56 Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.
Das berühmte Magnificat. Große Worte, die jenen erheben, der sie mit Andacht hört. Denke ich mir. So ist es auch würdig und recht billig und heilsam....
In der Sendung nun aber machten sich zwei Damen im Stile lebenspraktischer Katechetinnen daran, dieser große Begegnung eine weitere hinzu zu fantasieren. Sie lassen Maria nach dem Tod Jesu und auch Johannes des Täufers noch einmal zu Elisabeth ins Gebirge gehen und die beiden Frauen führen dann ein Gespräch über ihr Leben, über ihre Söhne, die beide zu dieser Zeit ja nicht mehr sind, über den Sinn ihres Opfers und all diese Dinge.
Ich hörte mir das halb schläfrig an und ... siehe, weil es nicht gut war, ward es zu einer Art gehobenem Weiberratschens, ein tratschiger Singsang von Minchen und Trinchen, gut als Beweismittel dafür zu verwenden, dass alles was noch Erhebung und Erleuchtung in der Heiligen Schrift sein könnte so lange auf ein menschliches Maß heruntergebrochen werden kann, bis auch der letzte gutwillig Glaubende sich abwendet. Ich jedenfalls in meinem Kissenpfühle spürte Unwillen und Ratlosigkeit.
Erhebung täte Not, aber diese Sendung leistete dafür keinen Beitrag. Ich erhob mich trotzdem, schließlich war es ja Zeit zum Aufstehen.
Wenn man aber erst einmal so angestoßen ist, kommen gleich weitere zweifelnde Einwände hinterdrein. Ist nicht die gesamte christliche Religion mit ihren Ideen
- von der Fleischwerdung des Wortes,
- dem Einfall, ein himmlischer, ein universaler Gott könnte sich mit den Erdenmenschen so verbünden, dass er gleich ein Kind mit einer Menschenfrau hat,
- mit der Passion und ihren grausamen Detail.
Ist diese christliche Religion nicht am Ende ein menschlicher Raubzug am wirklich Göttlichen? Ist Gott eine Geisel der christlichen Religion geworden?
Das letzte ärgerliche Erlebnis dieser Art hatte ich vor einigen Jahren als eine dieser Pastorinnen die erste Predigt Jesu im Tempel zum Thema behandelte und mit ernster Stimme anhub: „Auch Jesus kam in die Pubertät“. Da zuckte ich auch zusammen, weil mir dieser Erzieherinnenton mitten in mein kleines Zentrum von Transzendenz und Erleuchtung hineinpredigte.
Man soll nicht denken, dass ich nur bei Frauen ein solches Unbehagen verspüre. Immer wenn ich den Bischof Huber zu einem seiner Statements – den Zustand des Gemeinwesens und politische Ereignisse betreffend - ansetzen höre, trifft mich das ebenfalls mitten ins Zwerchfell eigener Spiritualität.
Für das was die christliche Religion noch an Seelen- und Gefühlsvibrationen verbreiten will, genügt mir der Gedanke an mein warmes Bett, an meinen Mann, der gern für die kleine Familie sorgt, an eine heiße Tasse Kaffee und eine gute Musik. Alltagserbauung eben. Diese Erleuchtung verdanke ich zwar nicht diesen religiösen Sendungen allein, aber sie sind gute Beweismittel für die These, dass das Christentum in dieser Form ziemlich muffig ist. Von Niedergang zu reden wäre schon wieder aufwertend, denn auch Niedergängen besitzen Größe.