Samstag, 23. April 2005

Kannibalenlogik

Schon der erste Prozess gegen den Kannibalen von Rotenburg war Anlass für allerschrägste Überlegungen und kreative Einfälle aller Art. Dieser Meiwes hatte argumentiert, sein Opfer sei einverstanden gewesen mit der Schlachtung. Ja, es habe geradezu darum gebeten. Und auch der Anwalt hatte betont, sein Mandant habe aus Mitleid getötet. Darum ging der gesamte Urteilstenor in Richtung „Tötung auf Verlangen“.
Wenn man das so schräg weiter denkt, dann wäre die Verweigerung der Schlachtung ja eigentlich eine unterlassene Hilfeleistung.
Wenn man das unangefochten von Skrupeln und Einwänden noch weiter denkt, dann tut sich hier ein prozesstaktisches Feld allerkreativster Art auf.
So könnte ein Mörder sagen, sein Opfer habe ihn so angesehen, dass er gar nicht anders konnte, als ihm das fällige Hinscheiden zu ermöglichen. Und wenn man ihm nachweist, dass das Opfer kregel und lebensfroh war, dann kann er behaupten, seine Antennen hätten ihm was anderes signalisiert und dennoch die ganze Untat als ein einziges Missverständnis darstellen. Möglichkeiten über Möglichkeiten.
Auf einer Internetseite zum medialen Echo des Prozesses wird die legendäre Schlagzeile von „BILD“ zitiert: Kannibale frass Berliner auf. Superklasse war dann noch: Kannibale ist wieder verliebt. Ein Kommentator fragte ironisch: Diesmal in ein Wiener Schnitzel? Herrlich.

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