Sonntag, 6. August 2006

Besitzverhältnisse

Eine kleine Insel liegt in der Mitte des Flüsschens gegenüber dem Grundstück unseres Cousins.
Sie war, so erzählte er, schon immer, auch zu DDR-Zeiten, in Privatbesitz. Jetzt leben da Leute in Wochenendlauben und bezahlen dem Besitzer ihre Pacht. Dass es so viel privaten Landbesitz gab, ist mir nicht mehr so erinnerlich. Es war wohl so, dass sich die Staatsmacht immer nur dann eingemischt hat, wenn ihre Interessen oder die eines mächtigen „Genossen“ berührt wurden. Hohe Staatsfunktionäre haben ihre Häuser in Landschaftsschutzgebiete gesetzt, sie hätten auch – mit einem legitimierenden Vorwand – privates Land enteignet, aber auf dieser kleinen Insel gab es nichts zu bestellen außer Gartenlauben. Die Siedler haben damals hochsubventionierte Bienenhäuser besorgt und zu Lauben umgebaut.

Mit den Erfahrungen der Wende im Kopf sage ich mir, wenn es heute jemanden gäbe, der ein ernsthaftes Interesse an dieser Insel hätte, dann bekäme er auch, was er will. Die Behörden könnten das durch Verordnungen tun, die den Besitzer kujonieren und zur Abgabe zwingen, ein reicher Mensch durch Geld, dass ja alles durchdringen kann.
Eigentlich grenzt das Grundstück des Cousins ans Ufer der Müggelspree, aber der winzig kleine Uferstreifen war laut Grundbuch Eigentum der Stadt und die Vorbesitzer haben das Angebot zum Kauf nie wahrgenommen, weil sie nicht an den Wert von Grund und Boden glaubten.
Der Nachbar hingegen hat dieses Stück Besitz sehr zügig nach der Wende an sich gebracht und damit seinen eigenen Wasserzugang verbreitert.
Des Cousins Grundstück ist vom Wasser abgeschnitten. Er klagte uns gegenüber wegen dieser Art von cleverness, aber unternehmen will er nichts.
Andauernd macht er sich Sorgen. Mal um das denkmalgeschützte Haus, das ihn der Willkür von Behörden ziemlich ausgeliefert. Mal um die Straßenverhältnisse davor, deren Besserung den Anwohnern in hohem Masse in Rechnung gestellt würde, wenn man sie in Angriff nähme.

Seit Jahren kümmert er sich um die alte, verwitwete Vorbesitzerin, die ihm vor Jahren das Haus geschenkt hat. Damit so ein Geschenk beim Ableben keine Erbschaftssteuer kostet, muss zwischen der Schenkung und ihrem Tode ein längerer Zeitraum liegen. So hat er also zuerst gebangt, dass sie vor der Zeit stirbt. Jetzt ist diese Zeit aber schon lange vorbei - sie ist Mitte 90 und muss versorgt werden. Ein Pflegedienst übernimmt einiges, aber er ist gefordert.
Eigentlich sollte seine Frau ja mit in dieses Haus ziehen. Sie wollte aber nicht in dieses abgelegene Fischerdorf, suchte sich eine eigene Wohnung und ließ sich scheiden. Jetzt lebt er dort allein und der Besitz bindet ihn, wie noch nie in seinem Leben. Das Haus ist neben der Freude, die es ihm macht, eine selbst erzeugte böse Falle geworden.
Und damit er das vergisst, lädt er uns immer mal wieder ein.

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