Dienstag, 9. November 2004

9. November

Am neunten November 1989 abends sind wir ins Bett gegangen wie immer, weil wir uns – trotz der merkwürdigen Ankündigung von Schabowski – überhaupt nicht vorstellen konnten, dass das als sofortige Grenzöffnung zu verstehen ist. Wir dachten, dass man unbürokratisch einen Antrag abgeben und dann reisen kann. Deshalb sind wir zwar ziemlich aufgeregt, aber nicht völlig „außer uns“ ins Bett gegangen. Direkt am Checkpoint Charly lag mein Arbeitsplatz
Es hatte schon einige merkwürdige Entwürfe über ein neues Reisegesetz gegeben, alle viel zu restriktiv für die dramatische Entwicklung, deshalb erwarteten wir ständig Nachbesserungen. Erst am Morgen hörten wir, was in der Nacht passiert war.
Ich hatte am nächsten Tag Spätdienst und ging vor der Arbeit zur Bornholmer Brücke.
Dort war eine Riesenschlange, die Grenzer standen irgendwie ratlos rum und als ich einen ansprach, um nach der Situation zu fragen, zuckte er mit der Schulter. Halb missmutig und halb ratlos.
Dann bin ich zum Spätdienst gegangen, der – angesichts der Ereignisse - unglaublich stressig war. Gegen 23 Uhr bin ich mit dem Kraftfahrer noch zur Bernauer Strasse gefahren, wo sie schon ganze Mauersegmente rausbrachen, damit die Leute durchkommen. Und am nächsten Tage ging ich da hin, traf ein amerikanisches Fernsehteam und habe mit denen ein paar Tage ziemlich geschuftet und mein erstes Westgeld verdient. Das Brandenburger Tor ging viel später erst auf. Bis dahin und auch danach hatte ich die verrückteste und arbeitsintensivste Zeit in meinem Leben. Als am 1. Juli 1990 die Währungsunion kam, lag ich im Krankenhaus.

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